Lausitzer Geschichte: Die lange Historie der Sorben-Feindlichkeit

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Die Sorben-Feindlichkeit wird heutzutage gerne auf die Zeit während des NS-Diktatur zusammengestrichen: Auch wenn viele Sorben während der schrecklichen NS-Diktatur verfolgt wurden und ums Leben kamen: Hatte dennoch die Sorben-Feindlichkeit einen langen Vorlauf: Denn erst auf dieser Grundlage konnte die NS-Diktatur ihr furchtbares Werk vollenden.

Warum die Sorben-Feindlichkeit einen langen Vorlauf hat

Alois Andritzki (1914-1943) gehörte als bekennender Sorbe den sorbischen Studentenbund „Serbski student“ an und wurde am 30. Juli 1939 in Bautzen zum Priester geweiht. Zudem hielt er als Präses der Dresdner Kolpingfamilie immer wieder kritische Diskussionen mit Jugendlichen ab – sowohl über das NS-Regime, als auch über dessen Rassenwahn. Für seine Aktivitäten musste Alois Andritzki letzlich sehr teuer bezahlen. Er wurde kurzerhand verhaftet und starb – oder wurde umgebracht – ein paare Jahre später im Konzentrationslager Dachau.

Alois Andritzki – Sorben im NS-Konzentrationslager

>>Alois Andritzki<<

„Ein Sondergericht verfasst am 23. Mai 1941 die Anklageschrift wegen »heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei«. Entlassen aus der Untersuchungshaft, wird er sofort wieder verhaftet und im Oktober 1941 in das Konzentrationslager Dachau abtransportiert. Dort grassieren Hunger und Typhus. Er stirbt am 3. Februar 1943 vermutlich an einer Giftspritz“

Rassenwahn: Viele Sorben starben im NS-Konzentrationslagern

Es war auch nicht der einzigste Sorbe der im Konzentrationslager sterben sollte: Eine ganze Reihe von Sorben starben in diversen Konzentrationslagern. Während der NS-Zeit wurden sogar slawische Familiennamen und bisweilen Ortsnamen getilgt: Obwohl schon zu dieser Zeit viele Ortsnamen bereits weitestgehend eingedeutscht waren. Aber dem NS-Funktionären ging die Umbenennung eben nicht weit genug. Das Sorbische Volk sollte schlicht aufhören zu existieren. Allerdings hatte diese Sorben-Feindlichkeit einen sehr langen Vorlauf.

„Die Sorben-Feindlichkeit entstammt dem jahrhundertealten deutschnationalistischen Antislawismus“

>>David Gall s“l – Jüdisches Leben online<<

„Die Sorben-Feindlichkeit entstammt dem jahrhundertealten deutschnationalistischen Antislawismus, der sich im Osten im ständigen „Grenzkampf“ mit den Slawen sah. Da waren die beiden slawischen Sprachinseln in der Ober- und der Niederlausitz nach deutschnationalem Verständnis natürlich so etwas wie „Stacheln im Fleisch des deutschen Volkskörpers“. Unter solcherart motivierten Anfeindungen und Diskriminierungen hatten die Sorben besonders im Kaiserreich als auch im Nationalsozialismus zu leiden.“

„Anfeindungen und Diskriminierungen hatten die Sorben besonders im Kaiserreich als auch im Nationalsozialismus zu leiden“

Schon im Mittelalter wurde die Verwendung der Sorbischen Sprache vor Gericht immer wieder verboten. Doch die Sorben-Feindlichkeit setzte sich bis in die moderne Neuzeit – sogar nahtlos bis zur Kaiserzeit – fort.

Seit dem Mittelalter: „Sorbischen Sprache vor Gericht immer wieder verboten“

Ein prägnantes Beispiel hierzu dürfte wohl Arnošt Muka sein. Heutzutage gilt Arnošt Muka gewissermaßen als „Übervater“ aller Sorben und das zweifellos auch zu Recht. Seine Verdienste gegenüber dem Sorben lassen sich mitnichten Kleinreden. Allerdings zog sein Engagement auch zahlreiche Feinde an. Es war zu dieser Zeit halt nicht gern gesehen, dass sich jemand für die Belange der Sorben einsetzt. Allein schon sein Werdegang ist sozusagen Selbsterklärend: Erst am Ende seiner beruflichen Kariere – also kurz vor seiner Pensionierung – konnte er es sich erlauben, sich maßgeblich für die Sorben einzusetzen. Seine Kritiker ließen sich dann auch nicht zweimal Bitten.

Arnošt Muka: „Harsche Kritik von Teilen der deutschen Presse“

>>Arnošt Muka<<

„Ab 1880 sammelte er, aufgrund mangelnder Unterstützung deutscher staatlicher Institutionen, in der Lausitz und im Ausland Spenden, was ihm harsche Kritik von Teilen der deutschen Presse einbrachte. M. beschaffte über 250.000 Goldmark auf eigene Initiative und konnte schließlich am 26.9.1904 die Eröffnung des Hauses der Sorben in Bautzen als offizieller Mitbegründer erleben. – Fast während seiner gesamten Lehrertätigkeit sah sich M. (Arnošt Muka, Anmerkung der Redaktion) mit der geringen Akzeptanz des Sorbischen und dem Unverständnis vieler Deutscher über sein Engagement für die Sorben konfrontiert, was ihn u.a. zum Ziel von Verleumdungskampagnen Zeitungen (1907-1910) werden ließ.“

Arnošt Muka: „Ziel von Verleumdungskampagnen Zeitungen (1907-1910) werden ließ“

Der heutzutage viel zitierte „Haltungs-Journalismus“ ist also beileibe keine neue Erfindung, auch wenn es das Wort selbst zur damaligen Zeit noch unbekannt war. Die Verleumdungskampagnen der damaligen Presse hatten auch weniger die Person – sondern vielmehr sein Sorbisches-Engagement zum Ziel. Arnošt Muka hatte mit seiner Initiative eine Bewegung losgetreten, die nicht nur weit über sein eigenes Leben hinaus ragen sollte, sondern auch noch ganz andere staatliche Aktivitäten auf dem Plan rief.

„Zur Überwachung der Sorben“

>>Stadt Bautzen<<

„Zur Überwachung der Sorben wird bei der Amtshauptmannschaft Bautzen die „Wendenabteilung“ gegründet, die bis 1945 besteht. Ihr Ziel ist u. a. die „Aufdeckung jeder wendischen Nationalbewegung als reichsfeindlich“ und die „Förderung des Aufgehens der Wenden im Deutschtum“.

„Förderung des Aufgehens der Wenden im Deutschtum“

Die sogenannte „Wendenabteilung“ dürfte eine unmittelbare Folge von Arnošt Mukas Aktivitäten gewesen sein. Doch rein Formal existierte zu dieser Zeit keine Wendenabteilung: Denn schon damals ging man mit geheimdienstlichen Aktivitäten vor. Ein dichtes Netz aus Spitzeln lieferte Informationen, wobei auch aus den vorhanden Akten nicht eindeutig hervor geht: Ob darüber hinaus auch Einfluss auf die Sorben genommen wurde. Auf jeden Fall existierte die Wendenabteilung von 1920 bis 1945.

Die Wendenabteilung von 1920 bis 1945

Die NS-Diktatur griff also auf bereits bestehende Einrichtungen zurück. Zugleich belegt besonders die Wendenabteilung: Die Kontinuität der Sorben-Feindlichen-Aktivitäten in der Lausitz. Selbst mit dem Ende der NS-Diktatur ging die bereits zuvor eingeschlagene Entwicklung munter weiter: Wenn auch unter anderen Vorzeichen. Zwar wurden nun die Sorben nicht mehr direkt unterdrückt. Aber die einst verbotene und nach dem Zweiten Weltkrieg erneut neu gegründete Domowina, musste sich nun dem „Gegebenheiten der Zeit“ anpassen.

„An der Spitze der neuen Domowina war nur ein Sorbe mit dem Parteibuch der SED geduldet“

>>Spiegel<<

„An der Spitze der neuen Domowina war nur ein Sorbe mit dem Parteibuch der SED geduldet; dem Dachverband wurde in Bautzen ein großes Haus gebaut, doch die besonderen Belange einer völkischen Minderheit waren darin nicht vorgesehen. Versteht sich, daß auch die vielen Einrichtungen, die es nun für die Sorben gab, die Schriftsteller und das Volkstheater, die Filmschaffenden und der Musiker-Verband, nach den Pfeifen im Politbüro zu tanzen hatten. … Die Stasi jedenfalls hatte für diese slawischen Brüder eine eigene Abteilung angelegt, mit Dependancen in Cottbus und Bautzen.“

„Die Stasi jedenfalls hatte für diese slawischen Brüder eine eigene Abteilung angelegt“

Die Wendenabteilung war zwar formal aufgelöst, aber es dauerte nicht lange, bis ein entsprechendes Gegenstück installiert war. Die SED trieb nun mit dem Sorben ein doppeltes Spiel: Auf der einen Seite standen sie unter intensiver staatlicher Beobachtung, doch auf der anderen Seite wurde sie als buntes Folklore-Aushängeschild genutzt. Die Konformität wurde sogar so weit getrieben, dass einige DDR-Bürger – aus anderen Teilen der DDR – am Ende wirklich dachten: Die Sorben seien nur eine Erfindung des Politbüros in Berlin.

Warum die Domowina sehr nah am staatlichen Wasser gebaut ist

Auch heute noch ist die Domowina sehr nah am staatlichen Wasser gebaut. Egal wie Absurd und Schädlich die politischen Entscheidungen aus Dresden oder Potsdam für die Lausitzer Sorben auch sein mögen: Von der Domowina ist kaum nennenswerte Kritik zu erwarten. Der Ministerpräsident gab deswegen auch selbstzufrieden zu Protokoll: „Ich bin mit der jetzigen Struktur sehr zufrieden.

Nur eine Minderheit der Sorben gehört der Domowina an

Deshalb gehört auch nur eine winzige Minderheit der Sorben der Domowina an. Der Serbski Sejm hat sich wiederum in Eigenregie unabhängig Organisiert. Viele andere Sorben sind – sicherlich nicht Grundlos – in gar keiner formalen Organisation präsent. Fern ab jeglicher staatlicher Organisation, sieht sich auch die Lausitzer Allgemeine Zeitung ständigen Angriffen ausgesetzt. Offizielle Vertreter haben schon durchblicken lassen, dass man unsere Meinung wenig schätze. Wie auch immer diese Drohung oder Bekenntnis zu werten sei.

Lausitz gilt als Musterbeispiel für die friedliche Koexistenz zwischen Sorben und Deutschen

Im Gegensatz zu offiziellen Darstellung kann die Geschichte der Lausitz wohl als Musterbeispiel für die friedliche Koexistenz zwischen Sorben und Deutschen gewertet werden: Denn in der Lausitzer Geschichte wurde die Konflikte bisher fast ausschließlich von staatlichen Institutionen geschürt.