Rechtliches – Lausitzer Sorben: “Deutschland behauptet, dass es hier keine indigenen Völker gibt”

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Dobry dźeń – Guten Tag! Mit diesen Worten begrüßte die Bundestagsabgeordnete Maria Michalk am 17. Juni 2004 die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, um dann eine beeindruckende Rede in sorbischer Sprache zu halten.” – Jedoch ist diese Rede schon eine ganze Weile her. Die Abgeordnete gehört schon längst nicht mehr als Abgeordnete des Deutschen Bundestages dazu.

Wann wurde die letzte Rede auf Sorbisch im Bundestag gehalten?

Natürlich wirft es die Frage auf: Wie sieht es wirklich mit Minderheitenrechten aus? Jenseits aller hochtrabenden Sonntagsreden ist eine regelrechte Rückentwicklung zu beobachten. Am Auffälligsten dürfte vermutlich ein Artikel der Weimarer Verfassung sein.

Minderheitenschutz: Wo steht der Artikel im modernen Grundgesetz geschrieben?

>>Verfassungen der Weimarer Republik<<

“Artikel 113. Die fremdsprachigen Volksteile des Reichs dürfen durch die Gesetzgebung und Verwaltung nicht in ihrer freien, volkstümlichen Entwicklung, besonders nicht im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und Rechtspflege beeinträchtigt werden.”

“Nicht im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und Rechtspflege beeinträchtigt werden”

Ein vergleichbarer Passus im Grundgesetz fehlt: Demzufolge lassen sich diese Rechte auch nicht so ohne weiteres einklagen. Als offizielle Vertretung der Lausitz Sorben tritt heutzutage der eingetragene Verein Domowina hervor. Doch am exemplarischen Beispielen versucht die Domowina augenscheinlich mehr interne Vereinsinteressen, als Interessen der Sorben durchzusetzen. Der Kohleausstieg dürfte sicherlich so ein Beispiel sein.

Beispiel Kohleausstieg: Die unüberwindbare Kluft zwischen Domowina & Lausitzer Sorben

>>Tag24<<

“Der Bund Lausitzer Sorben (Domowina) sieht in den beschlossenen Gesetzen auch ein Bekenntnis Deutschlands zum sorbischen Volk. Ins Strukturstärkungsgesetz wurden auch Maßnahmen zur Förderung und Bewahrung von sorbischen Traditionen geschrieben, freut sich Domowina-Chef … .”

Beispiel Kohleausstieg: Jede Menge an Geld für Domowina?

Tatsächlich kann wohl eher die Vereinsstruktur Domowina einen Nutzen daraus ziehen, während die Sorben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben. Die strukturschwache Lausitz wird durch den angedachten Kohleausstieg noch mehr geschwächt, was logischerweise Abwanderung nach sich zieht.

“Die Sorben haben mit einer massiven Abwanderung aus beruflichen Gründen zu kämpfen”

>>Eberhard Karls Universität Tübingen<<

“Die Sorben haben mit einer massiven Abwanderung aus beruflichen Gründen zu kämpfen. Maßgeblich ist hierfür der ein Strukturwandel, welcher sich durch den Kohleausstieg noch deutlich verschärft hat. Die Braunkohle bzw. Tagebau war und ist ein wichtiger Arbeitgeber für die Sorben und hat die Lausitz stark geprägt.”

“Die Braunkohle bzw. Tagebau war und ist ein wichtiger Arbeitgeber für die Sorben”

Das Lausitzer Revier soll ein wichtiger Arbeitgeber für Sorben sein? – Solche Gedanken könnten bei einigen Domowina-Führungspersönlichkeiten fast schon zu geistigen Panikattacken führen. Zugleich stellen die Domowina-Vereinsstrukturen keinerlei Raum für Debatten her. Ganz anders ist der Serbski Sejm aufgestellt.

“2018 wurde in der Lausitz eine demokratisch legitimierte sorbische/wendische Volksvertretung gewählt”

>>Serbski Sejm<<

“2018 wurde in der Lausitz eine demokratisch legitimierte sorbische/wendische Volksvertretung gewählt, der »Serbski Sejm«. Dieses aus freien, geheimen und direkten Wahlen hervorgegangene Parlament kämpft nun für das sorbische/wendische Volk um den Status einer Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts.”

Serbski Sejm: “Dieses aus freien, geheimen und direkten Wahlen hervorgegangene Parlament” 

Genau solche – öffentlich finanzierte – Strukturen würde es für die Debatte an unterschiedlicher Positionen benötigen. Doch die Domowina-Führung tritt genau für das Gegenteil ein. Selbst die Begrifflichkeit “Gegner” wird gebraucht.

Domowina: “Hat die Initiative für den Serbski Sejm einen mächtigen Gegner “

>>taz<<

“Außerdem hat die Initiative für den Serbski Sejm einen mächtigen Gegner – und der kommt aus den eigenen Reihen. Es ist die Domowina, zu Deutsch Heimat. Die Organisation wurde 1912 als Dachverband sorbischer Vereine gegründet, ist in der Ober- und Niederlausitz gut organisiert und sie sieht sich als legitime Vertreterin aller Sorbinnen und Sorben und ihrer Belange. Aus Sicht der Domowina ist eine neue Vertretung vollkommen überflüssig. … Vorsitzender der Domowina, betont immer wieder, dass die Initiative für den Serbski Sejm mit ihrem Wahlaufruf nur eine kleine Gruppe erreiche. Die Domowina hingegen repräsentiere nicht weniger als 7.300 Mitglieder.”

Serbski Sejm: “Aus Sicht der Domowina ist eine neue Vertretung vollkommen überflüssig” 

Als vermeintlich ausschlaggebendes Kriterium werden häufig die rund 7.000 Domowina-Mitgieder genannt. Aber es soll rund 60.000 Sorben geben, womit also nur eine Minderheit innerhalb der Minderheit der Domowina angehört. Außerdem können auch Körperschaften des Öffentlichen-Rechts der Domowina beitreten. Über ihre Karteileichen schweigt sich der Verein aus. Im Endeffekt stellt sich die Frage: Was will die Domowina überhaupt mit ihrer ständigen Betonung auf ihre Mitgliederzahl ausdrücken?

Was will die Domowina überhaupt mit ihrer ständigen Betonung auf ihre Mitgliederzahl ausdrücken?

Eigentlich wäre die Domowina mit rechtlichen Anerkennung der Lausitzer Sorben schon genug beschäftigt. Denn die Stellung der Sorben als anerkanntes indigenes Volk ist bis zum heutigen Tag nicht verwirklicht.

“Lebende Völker in unabhängigen Ländern, das ihnen rechtsverbindlichen Schutz und Grundrechte wie das Recht auf Selbstbestimmung garantiert”

>>Neues Deutschland<<

“Seit 1991 gibt es ein Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, das ihnen rechtsverbindlichen Schutz und Grundrechte wie das Recht auf Selbstbestimmung garantiert. Bislang wurde es erst von 24 Staaten ratifiziert, zuerst von Mexiko, zuletzt im April von Deutschland. »Aber Deutschland behauptet, dass es hier keine indigenen Völker gibt«,  … “

“Deutschland behauptet, dass es hier keine indigenen Völker gibt”

Eine nationale Minderheit und der Status ein indigenes Volk stellen keineswegs dasselbe dar. Zumal die ILO-Verhandlungen auf eine lange Vorgeschichte zurückblicken und schon im Jahr 1989 haben sich zwei sehr verschiedene deutsche Staaten bei einer Frage durch erstaunliche Einigkeit hervorgetan.

“Bundesrepublik Deutschland als auch die Deutsche Demokratische Republik erklärt, auf ihrem Territorium existiere kein indigenes Volk”

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

“Bereits bei den ILO-Verhandlungen im Jahr 1989 haben sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Deutsche Demokratische Republik erklärt, auf ihrem Territorium existiere kein indigenes Volk, auf das die Bestimmungen der ILO-Konvention 169 anwendbar sein könnten. Die gleiche Auffassung vertreten die Bundesregierung bzw. die einzelnen Bundesländer bis heute. Nichtsdestotrotz könnte insbesondere das Volk der Sorben und Wenden, welches in bestimmten Gebieten in Brandenburg und Sachsen ansässig und als nationale Minderheit anerkannt ist, auch die oben erläuterten Merkmale eines indigenen Volkes erfüllen.”

Lausitzer Sorben: “Die Bestimmungen der ILO-Konvention 169 anwendbar sein könnten”

Natürlich könnte die Bundesrepublik Deutschland problemlos die Sorben als indigenes Volk anerkennen, womit sich auch zusätzliche Rechte ergeben würden.