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Strukturwandel: Welche Auswirkungen ergeben sich aus der anhaltenden Deindustrialisierung energieintensiver Industriebereiche?

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Das Verschwinden von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen in der Lausitz – ausgelöst durch steigende Energiepreise und den politisch vorangetriebenen Kohleausstieg – stellt ein höchst brisantes und tiefgreifendes Problem dar. Diese Entwicklung droht, eine dauerhafte Deindustrialisierung energieintensiver Branchen herbeizuführen und bringt für die Menschen in der Region erhebliche soziale sowie wirtschaftliche Konsequenzen mit sich.

Hintergründe des Lausitzer Reviers

Die Lausitz war über viele Jahrzehnte hinweg ein bedeutendes industrielles Zentrum, das vor allem durch Braunkohleabbau sowie energieintensive Industriezweige wie Chemie, Metallverarbeitung, Glasproduktion und Maschinenbau geprägt war. Nach der deutschen Wiedervereinigung führte der Systemwechsel zusammen mit sinkender Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Unternehmen zu einer massiven Deindustrialisierung, begleitet von hoher Arbeitslosigkeit, Abwanderung und einer zunehmend alternden Bevölkerung. Die Beschäftigtenzahl im Braunkohlesektor sank von fast 80.000 am Ende der DDR auf unter 8.000 Mitte der 1990er Jahre. Auch heute noch prägt diese Entwicklung die Dynamik des Arbeitsmarktes in der Region, die im Vergleich zu anderen Gebieten wirtschaftlich schwach bleibt.

Auswirkungen steigender Energiepreise und des Kohleausstiegs

Die aktuellen politischen Entscheidungen – insbesondere der beschlossene Ausstieg aus der Kohleverstromung – treffen die Lausitz erneut mit voller Wucht. Die energieintensive Industrie ist stark auf günstige Strompreise angewiesen. Durch den Wechsel von Braunkohle zu erneuerbaren Energien steigen die Energiekosten, da preiswerte Grundlastkapazitäten wegfallen und erst neue Kapazitäten geschaffen werden müssen. Diese Kostenexplosion setzt Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Metall und Glas massiv unter Druck. Ihnen drohen entweder die Verlagerung in Regionen mit niedrigeren Energiekosten oder sogar die Schließung ganzer Standorte – was unmittelbar den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze bedeutet.

Unaufhaltsame Deindustrialisierung

Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der Verlust zentraler Industriearbeitsplätze kaum noch aufzuhalten ist. Für die derzeit rund 6.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kohle- und Energiesektor sowie für die Mitarbeiter weiterer energieintensiver Branchen können die bisher angekündigten Investitionen und Förderprogramme weder in Quantität noch in Qualität einen adäquaten Ersatz bieten. Die meisten neu entstehenden Stellen sind im Dienstleistungsbereich oder in hochqualifizierten Segmenten angesiedelt, erreichen jedoch meist nicht das Lohnniveau oder die Beschäftigungsbedingungen der früheren Industriearbeitsplätze. Da viele Fördermaßnahmen für neue Industriezweige noch nicht realisiert wurden oder nur angekündigt sind, fehlen kurzfristige Lösungen. Die Gefahr ist real, dass die Region dauerhaft an industrieller Substanz verliert, was eine Abwärtsspirale aus Fachkräftemangel, Wertschöpfungsverlusten und ausbleibenden Investitionen auslöst.

Verheerende Folgen für die Bevölkerung

Sozialer Abstieg: Wer seine qualifizierte und vergleichsweise gut bezahlte Arbeit verliert, findet meist nur schlechter bezahlte Alternativen – dies verschlechtert die individuelle Lebenslage und erhöht das Risiko von Armut. Die Abwanderung insbesondere junger, qualifizierter Menschen beschleunigt den demografischen Alterungsprozess. Die Region leidet unter einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung bei gleichzeitig zunehmender Überalterung, was die Tragfähigkeit sozialer Sicherungssysteme gefährdet. Die Schließung großer Betriebe zerstört langjährige soziale Strukturen sowie die regionale Identität, die eng mit der Industrie und dem Arbeitsleben verbunden war. Sinkende Steuereinnahmen und eine schrumpfende Wirtschaftskraft verschlechtern darüber hinaus Infrastruktur, Bildungschancen und Lebensqualität weiter. Fehlende Perspektiven führen zudem zu wachsender politischer Frustration und können antidemokratische Strömungen begünstigen.

Kritische Betrachtung der politischen Gegenmaßnahmen

Obwohl staatliche Programme mit Milliardeninvestitionen und Strukturhilfen existieren, mangelt es bislang an gesicherten industriellen Großprojekten, die als Ersatz für verlorene Arbeitsplätze dienen könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass der Strukturwandel nur schleppend voranschreitet: Fördermittel konzentrieren sich oft auf kleinere Unternehmen und Verwaltungseinheiten, während gerade die prägenden Großbetriebe der Region unmittelbar unter den Umstrukturierungen leiden. Viele Maßnahmen bleiben zudem reine Ankündigungen – für die Beschäftigten bedeutet dies eine Phase voller Unsicherheit und Angst vor sozialem Abstieg.

Der Wegfall gut bezahlter Industriearbeitsplätze hat direkte wie indirekte Auswirkungen auf die Bevölkerung

Die Kombination aus politisch forciertem Kohleausstieg, steigenden Energiepreisen und dem Fehlen substantieller Ersatzindustrien bedroht massiv die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Lausitz. Es droht eine dauerhafte Deindustrialisierung ganzer Landstriche, was für die Menschen Arbeitslosigkeit, finanzielle Unsicherheit sowie einen weiteren Verfall regionaler Infrastruktur bedeutet. Die bisherigen politischen Antworten und Hilfsprogramme greifen nicht tief genug, um diesen Prozess aufzuhalten oder wenigstens wirksam abzuschwächen.