Strukturwandel: „Wort „Privatisierung“ im Volksmund schnell zum Synonym für Korruption und Misswirtschaft“

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Im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung wurden Tausende Betriebe verkauft und geschlossen. Die wirtschaftlichen Folgen des Strukturwandels dauern bis in die Gegenwart an. Eine Aufarbeitung der vergangenen Ereignisse wird tunlichst vermieden: Während gleichzeitig ein neuer katastrophaler Strukturwandel – im Form des Koheausstiegs – sich bereits abzeichnet. Doch in Bulgarien hat man sich dazu entschieden: Der eignen Vergangenheit sich zu stellen. Anstatt sie weiterhin schön zureden.

„Bulgarien überprüft alle Privatisierungsdeals nach der Wende“

>>Der Tagesspiegel<<

„Bulgarien überprüft alle Privatisierungsdeals nach der Wende – Bulgariens Staatsbesitz wurde nach der Wende 1989 auf 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wegen vermuteter Machenschaften bei der teilweise intransparenten „Entstaatlichung“ wurde das Wort „Privatisierung“ im Volksmund schnell zum Synonym für Korruption und Misswirtschaft.“

„Wort „Privatisierung“ im Volksmund schnell zum Synonym für Korruption und Misswirtschaft“

In der Wendezeit trug sich im Bulgarien ein vergleichbares Schauspiel wie in Ostdeutschland zu: Staatliche Betriebe wurden meist zu Spottpreisen in Ostdeutschland unter dubiosen Bedingungen verkauft. Am Ende waren überall Industrieruinen zu besichtigen. Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung und ein Rückgang der Geburten prägen bis heute das Bild.

Aufbau Ost: Am Ende waren überall Industrieruinen zu besichtigen

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse um die Wendejahre herum: Die wird bis heute vermieden. Im Westen der Republik ist bis heute das Bild überwiegend präsent: Das nur unwirtschaftliche Betriebe aufgelöst wurden. Allerdings handelt es sich dabei nur um die halbe Wahrheit.

Unfreiwilliger Zeitzeuge: Wie das ZDF 1987 die DDR-Wirtschaft sah

Screenshot zdf.de

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Wenn der „Klassenfeind“ unabsichtlich die Wahrheit berichtet

Der westdeutsche Öffentlich-Rechtliche Rundfunk tätigte Ende 1980er Jahre eine Reise in die noch bestehende DDR und filmte dort auch DDR-Betriebe ab. Als sogenannter „Feindsender“ dürfte das ZDF in diesem Fall über jeden Zweifel erhaben sein. Jedoch das historische Zeitdokument will sich nicht so recht in den heutigen Zeitgeist fügen. Natürlich hatte die DDR mit massiven wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, doch sie verfügte gleichzeitig über zahlreiche wettbewerbsfähige Unternehmen.

„Nicht die DDR hat in vierzigjährigem Herumgemurkse die ostdeutsche Bevölkerung um ebenjene vierzig Jahre Arbeit betrogen, sondern es war die westdeutsche Regierung“

>>Frankfurter Allgemeine Zeitung<<

„Nicht die DDR hat in vierzigjährigem Herumgemurkse die ostdeutsche Bevölkerung um ebenjene vierzig Jahre Arbeit betrogen, sondern es war die westdeutsche Regierung, und ihr genügte dafür ein einziger Tag: der 1. Juli 1990. Damals wurde die D-Mark auch als Währung in der DDR eingeführt, und damit war die blühende Landschaft der Planwirtschaft zur Wüste verdammt. Fortan war der Weg frei zum „Beutezug Ost“ … „

„Beutezug Ost“ – „Fortan war der Weg frei“

Bei näherer Betrachtung war es also wohl weniger ein „Aufbau Ost“ sonder vielmehr ein „Beutezug Ost“ gewesen. Eine vergleichbare Deindustrialisierung ist ansonsten nur im Rahmen von Kriegen zu erwarten.

„Beutezug Ost“ – Eine vergleichbare Deindustrialisierung ist ansonsten nur im Rahmen von Kriegen zu erwarten

In jenen Kontext ist die Tatsache schon erstaunlich, dass nun ausgerechnet Bulgarien seine Vergangenheit aufarbeiten will und während zugleich die Deutsche Regierung sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt.

Kohleausstieg: Ein zweites „Wirtschaftswunder“ im Osten wurde bereits eingeläutet

Sicherlich nicht ganz ohne Grund: Denn eine zweites „Wirtschaftswunder“ im Osten wurde bereits eingeläutet.

Lausitzer Kohle: „Arbeitsplätze für Zuliefererunternehmen“

>>Vorwärts<<

„Nach der Einigung zum Kohleausstieg hält sich der Jubel in der Lausitz in Grenzen. – Rund 8600 Arbeitsplätze hängen nach Angaben des Bundesverbandes Braunkohle an der Stromerzeugung und dem Kohleabbau in der Lausitz. In den Tagebauen vor Ort stecken die größten Braunkohle-Vorkommen in Deutschland. Hinzu kommen Arbeitsplätze für Zuliefererunternehmen sowie die Industrie, die von den Kraftwerken vor Ort abhängig ist, weil sie beispielsweise die produzierte Abwärme für die eigene Produktion nutzt. Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier – dort steht das Kraftwerk Schwarze Pumpe – spricht in anderen Medien von „dem Industriezweig“ in der Lausitz – weitere 20.000 Jobs würden von dem fossilen Energieträger abhängen.“

„20.000 Jobs würden von dem fossilen Energieträger abhängen“ 

Unter Ausblendung jeder wirtschaftlichen Realität werden fragwürdige Versprechen zu vermeintlichen Ersatzarbeitsplätzen abgegeben. Dabei hören sich die Versprechungen genauso wie in der Nachwendezeit an. Alleine an Kraftwerk Schwarze Pumpe ist ein ganzer Industriezweig anhängig und mit deren Stilllegung gehen nicht nur die Arbeitsplätze dort verloren, sondern gleichzeitig auch die in dem Zulieferfirmen. Das wirtschaftliche Ausmaß kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.