Was nach der Energiekrise kommt?

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Die historische Ölkrise wird heutzutage teils noch mit leeren Autobahnen in Verbindung vorwiegend in Westdeutschland gebracht. Doch die ökonomischen Verwerfungen sind bis heute spürbar. Seit dieser Zeit ging die Arbeitslosigkeit nie wieder wirklich zurück.

“Wegen zwei Millionen Tonnen Erdöl die Existenz der DDR aufs Spiel setzen wolle”

Hingegen im Osten – ehemals DDR – sah die Situation etwas anders aus. Erich Honecker ließ Leonid Iljitsch Breschnew – Generalsekretär der KPdSU – angeblich die Frage übermitteln, weshalb er “wegen zwei Millionen Tonnen Erdöl die Existenz der DDR aufs Spiel setzen wolle“. Zuweilen wird die DDR-Führung heutzutage ganz anders wahrgenommen.

“Westdeutschen machten sich nach dem Mauerfall und der Vereinigung über »Wandlitz« lustig”

>>Kanzlerdämmerung: Wer zu spät kommt, darf regieren von Martin Rupps (Buch) <<

“Die Westdeutschen machten sich nach dem Mauerfall und der Vereinigung über »Wandlitz« lustig – über jenen Sprengel nahe Berlin, in dem die Mitglieder des DDR-Politbüros, geschützt durch einen hohen Zaun, dicht an dicht gelebt und einander belauert haben. »Wandlitz« steht heute einerseits für materielle Privilegien, die sich Erich Honecker und Co. am Volk vorbei gestatteten, andererseits für die hermetische Abriegelung immer älter werdender Männer, die vom Land, das sie regierten, nichts mehr mitbekamen.”

“Wandlitz” – “Für materielle Privilegien, die sich Erich Honecker und Co. am Volk vorbei gestatteten”

Sicherlich mag es auch seine Richtigkeit haben: Dennoch gerade an der Ölfrage zeichnet sich ein ganz anderes Bild der damaligen SED-Führung ab. Insbesondere bei der Ölkrise waren Ihnen die Auswirkungen sehr wohl bewusst.

“Kürzung der Erdöllieferungen um rund zwei Millionen Tonnen jährlich”

>>Um jeden Preis: Im Spannungsfeld zweier Systeme von Günter Mittag (Buch) <<

“Nach dem X. Parteitag im Jahre 1981 erfolgte von sowjetischer Seite die Mitteilung über die Kürzung der Erdöllieferungen um rund zwei Millionen Tonnen jährlich. Die Parteitagsbeschlüsse jedoch basierten auf der Beibehaltung der Liefermenge. Stoph sprach zu den Wirtschaftsfragen, und die Direktive für den Fünfjahrplan 1980 bis 1985 war vom Parteitag verabschiedet. Die Staatliche Plankommission aber stand danach vor der Aufgabe, den Fünfjahrplan auszuarbeiten. Das war eine ganz komplizierte Situation, denn zwei Millionen Tonnen Erdöl weniger bedeuteten einen potentiellen Ausfall an Nationaleinkommen von weit über eine Milliarde Mark. In dieser Zeit richtete Erich Honecker einen Brief an ­Breshnew mit dem Vorschlag, die angekündigte Kürzung der Erdöllieferungen nicht vorzunehmen.”

“Zwei Millionen Tonnen Erdöl weniger bedeuteten einen potentiellen Ausfall an Nationaleinkommen von weit über eine Milliarde Mark”

Was war geschehen? – Infolge der Ölkrise stieg der Preis für Erdöl sprunghaft an und die damalige Sowjetunion wollte ihren Rohstoff lieber an zahlungskräftigere Kunden – zu besseren Preisen – verkaufen. Allerdings war die Ölkrise – anders als Westen – keine plötzliche Zäsur, sondern sie setzte mit etwas Zeitverzögerung ein.

“Die Ölkrise hat das Ende der DDR mit befördert”

>>Frank Bösch<<

„Die Ölkrise hat das Ende der DDR mit befördert“ – Dort war die Ölkrise 1973 zunächst keine scharfe Zäsur. Die sozialistischen Länder hingen von den günstigen Energielieferungen der Sowjetunion ab und Fünfjahrespläne schrieben deren Preise und Mengen fest. In den Jahren danach hatte die Krise aber fatale Auswirkungen auf die DDR und die anderen sozialistischen Länder. Denn die UdSSR erhöhte, um Devisen zu bekommen, schrittweise ihre Preise. Das führte dazu, dass die DDR 1978 rund 80 Prozent des Weltmarktniveaus zahlen musste. So stieg die Abhängigkeit von der UdSSR, die finanziell der Gewinner der Ölkrise war, zumal die DDR den Handel mit Gütern ausgleichen musste, die sie nicht mehr im Westen verkaufen konnte.”

“Hatte die Krise aber fatale Auswirkungen auf die DDR und die anderen sozialistischen Länder”

Zu allen Überfluss sollte mit “Glasnost und Perestroika” eine Reformierung der Sowjetunion stattfinden. Offenkundig sollte dies unter anderen die DDR bezahlen. Inwieweit man schon damals “die Existenz der DDR aufs Spielbewusst gesetzt wurde: Das muss an dieser Stelle mal offen bleiben.

Was nach der Energiekrise kommt?

Aber auch in Westdeutschland setzte zu dieser Zeit eine neue Epoche der Wirtschaft ein. Das Wirtschaftswachstum blieb aus, die Inflation stieg an und die Arbeitslosigkeit verfestigte sich.

“Nach der Ölkrise der 1970er Jahre kämpften viele westliche Länder mit sogenannter Stagflation”

>>Große Erwartungen von Geert Mak (Buch) <<

“Nach der Ölkrise der 1970er Jahre kämpften viele westliche Länder mit sogenannter Stagflation – geringem Wachstum kombiniert mit Inflation –, was zu einer wirtschaftspolitischen Neuorientierung veranlasste.”

“Stagflation” – “Geringem Wachstum kombiniert mit Inflation”

Die Erinnerung an Vollbeschäftigung und weit verbreiteten Wohlstand sind für weite Teile der Bevölkerung verblasst. Die Massenarbeitslosigkeit ging auch nie mehr wirklich zurück.

“Vollbeschäftigung” – “Aus einer ganz anderen Welt stammt, einer Art fernem Nirwana”

>>Vollbeschäftigt von Karl-Heinz Paqué (Buch) <<

“Das ganz andere Erlebnis der 1967er-Rezession liegt zu weit zurück und ist längst verblasst, zumal es anscheinend auch aus einer ganz anderen Welt stammt, einer Art fernem Nirwana der Vollbeschäftigung – längst vergangen, verloren und für das moderne Deutschland der chronischen Arbeitslosigkeit ohne Aussagekraft. Hier macht sich die Prägung einer ganzen Generation bemerkbar; die hat – wie der Autor dieser Zeilen – in der Zeit ihres Berufslebens bisher niemals den Zustand der gesamtwirtschaftlichen Vollbeschäftigung kennengelernt. Es ist die Generation der „73er“, um die es hier geht. Sie ist geprägt durch die Massenarbeitslosigkeit, die ab 1973 im Gefolge der ersten Ölkrise entstand und dann nie mehr verschwand.”

“Massenarbeitslosigkeit, die ab 1973 im Gefolge der ersten Ölkrise entstand und dann nie mehr verschwand”

Sicherlich mögen auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Dennoch war die wirtschaftliche Entwicklung in beiden Teilen von Deutschland überwiegend auf billige Energielieferungen gegründet. “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.” – Zwar soll Michail Gorbatschow so nie gesagt haben, trotzdem waren schon mit der Verknappung der Rohstofflieferungen die Weichen für die spätere Entwicklung der DDR gestellt.