“Irreführende und falsche Informationen werden aber dann zu einer Gefahr, wenn sie das Ziel haben, Menschen vorsätzlich zu täuschen oder zu beeinflussen”

Screenshot twitter.com Screenshot twitter.com

Eine Desinformationen sind: “Irreführende und falsche Informationen werden aber dann zu einer Gefahr, wenn sie das Ziel haben, Menschen vorsätzlich zu täuschen oder zu beeinflussen und gezielt verbreitet werden. Man spricht dann von Desinformation. Die Absicht dahinter ist also der wesentliche Unterschied zu einer Falschnachricht.” – So jedenfalls die Ansicht oder Definition der Bundesregierung. Wenngleich das Phänomen sehr weit in die Vergangenheit zurückreicht. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert konnte so etwas beobachtet werden.

19. Jahrhundert: “Hof setzt sämtliche Hebel in Bewegung, organisiert Schmähkampagnen gegen den Häretiker”

>>Die Flamme der Freiheit von Jörg Bong (Buch) <<

“Die nächste Lesereise-Station ist das nordöstliche Ostpreußen, Königsberg. Seit Kant – er ist damals keine 40 Jahre tot – steht die Stadt für Fortschritt. »Selbst denken«, lautet die imperative Maxime des Aufklärers. Doch genau hier erreicht Herwegh eine Hiobsbotschaft. Preußen verbietet sein neuestes Projekt, eine große Zeitschrift. Auch finanziell ist das für Herwegh ein Schlag. Kurzerhand greift er zur Feder, schreibt eine öffentliche Beschwerde – persönlich an den preußischen König:

»Majestät! Wir wollen ehrliche Feinde sein.«

Im Weiteren erklärt der Dichter dem Herrscher, dass sein geliebtes Bücherverbieten ohnehin für die Katz sei, denn »verbotene Bücher fliegen recht eigentlich durch die Luft«.

Was das Volk lesen wolle,

»liest es allen Verboten zum Trotz. Eure Majestät haben vor fünf viertel Jahren meine Gedichte verboten, und ich bin so glücklich, im Augenblick die fünfte Auflage derselben veranstalten zu können. Eure Majestät haben die Beschlagnahme als gefährlich erscheinender Bücher verordnet, und ich habe mich auf meiner ganzen Reise davon überzeugt: diese Bücher sind in jedermanns Händen.«

Die Leipziger Allgemeine Zeitung druckt den Brief am 24. Dezember 1842 als Weihnachtsgabe, die böse Bescherung folgt auf dem Fuß: Vier Tage später hat Herweghs Reise ein jähes Ende. Er wird ausgewiesen. Darüber hinaus beginnt ein Propaganda-Donnerwetter. Der Hof setzt sämtliche Hebel in Bewegung, organisiert Schmähkampagnen gegen den Häretiker der »gottgewollten Ordnung« .

Desinformationen im 19. Jahrhundert: “Eure Majestät haben die Beschlagnahme als gefährlich erscheinender Bücher verordnet”

Auch diese organisierte Schmähkampagne könnte man als Desinformation einordnen. Etwas strukturierter ging hierbei die ehemalige DDR vor und sie hat die Medien allgemein ganz anders verstanden.

“Medien dienen dem Zweck der Information” – “Im Namen der SED und unter ihrer Anleitung waren die Medien Teil der Desinformationskampagne”

>>Endspiel: Die Revolution von 1989 in der DDR von Ilko-Sascha Kowalczuk (Buch) <<

“Medien dienen dem Zweck der Information. Im Namen der SED und unter ihrer Anleitung waren die Medien Teil der Desinformationskampagne. Einmal wöchentlich sind die Chefredakteure im ZK der SED über die neuesten medienpolitischen Richtlinien und Schwerpunkte informiert worden. In vielen Redaktionen existierten inoffizielle Kladden, «Tabu-Bücher», in denen Journalisten verzeichneten, welche Begriffe und Themen gerade nicht verwendet werden dürfen. War der Hafer knapp, durfte nichts über Pferde erscheinen; stand ein Abkommen mit Frankreich, Japan oder Schweden kurz vor dem Abschluss, sollten freundliche Artikel über diese Staaten publiziert werden; «Nicht in den Medien DDR zu einem Museum machen!» Die Liste war lang und flexibel. Der britische Publizist Timothy Garton Ash schrieb 1981 in einem Buch über die DDR – das zu diplomatischen Verwicklungen zwischen der DDR und Großbritannien führte:

«Dem Berichten der Wahrheit aus einem totalitären Staat stehen viele Hindernisse im Wege. Es ist hoffnungslos, sie von den offiziellen Medien erfahren zu wollen. Was sie als Wahrheit zu übermitteln haben, ist immer parteilich, das heißt, was heute wahr ist, kann morgen bereits falsch sein. Auch ist es keineswegs die Absicht der Parteizeitung, Nachrichten zu vermitteln. ‹Neues Deutschland› ist am ehesten als Kombination aus Agitprop-Wandzeitung, politischem Wetterbericht und Hofgazette zu verstehen.»

Die Medien gehörten zu den «schärfsten Waffen der Partei» (G. Holzweißig).”

“Was sie als Wahrheit zu übermitteln haben, ist immer parteilich, das heißt, was heute wahr ist, kann morgen bereits falsch sein”

Nach eigenen Bekunden gehen die heutigen Behörden gegen tatsächliche oder vorgeblich Desinformationen vor. Selbst dann, wenn es sich auf internen Wahlkampf handelt.

“Ist es eine hybride Attacke, gesteuert womöglich aus dem Ausland?”

>>Dreckiges Geld von Andreas Frank Folgen & Markus Zydra (Buch) <<

“Das Spiel mit der Lüge gehört zu den perfidesten Instrumenten, eine demokratische Ordnung zu zersetzen. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD ) stellt in einem Bericht über russische Desinformationskampagnen fest, dass kein anderer EU-Staat heftiger betroffen ist als Deutschland. Während des Bundestagswahlkampfs 2021 tauchen in deutschen Großstädten Werbeplakate auf, die in Farbgebung und Aufmachung denen von Bündnis 90/Die Grünen nachempfunden sind. Unter dem Motto »#GrünerMist 2021« liest man auf den Plakaten Schlagwörter wie »Klimasozialismus«, »Ökoterror«, »Wohlstandsvernichtung«, »Industrievernichtung« oder »Arbeitsplatzvernichtung«. Die Kosten für die Kampagne sollen sich auf mindestens 500 000 Euro belaufen. Über die Herkunft der finanziellen Mittel weiß die Öffentlichkeit nichts. Aber es wird schon bald spekuliert: Ist es eine hybride Attacke, gesteuert womöglich aus dem Ausland? Die Schmähkampagne gegen die Grünen ist nach den Wahlen auch Thema bei einem Treffen der drei Nachrichtendienste mit Bundestagsabgeordneten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND) und auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sind für die Abwehr hybrider Attacken zuständig.”

“Die Schmähkampagne gegen die Grünen ist nach den Wahlen auch Thema bei einem Treffen der drei Nachrichtendienste mit Bundestagsabgeordneten”

So ganz sind die Informationen nicht richtig. Es ist sehr wohl bekannt wer hinter der Kampagne steckt und auch die Involvierung von ausländischen Geld war offenbar nicht der Fall gewesen. Doch das Thema wirft allgemein Frage nach der Rolle der Geheimdienste auf dem Prozess der Meinungsbildung auf. Immerhin werden diese Behörde aus Steuergeld bezahlt und sind an die Neutralitätspflicht gebunden.

“Um Extremisten im Internet aufzuspüren, betreibt der deutsche Verfassungsschutz Hunderte unechte Accounts”

>>Neue Zürcher Zeitung<<

“Um Extremisten im Internet aufzuspüren, betreibt der deutsche Verfassungsschutz Hunderte unechte Accounts. Beschäftigte des Bundesamtes und der Landesämter schlüpfen dafür in falsche Identitäten, setzen sich Perücken auf, fingieren mit gestellten Fotos ein normales Leben auf Instagram, um möglichst glaubwürdig zu sein. Sie begehen sogar Straftaten. … Zunächst geht es den Staat nämlich nichts an, wenn Bürger ihn ablehnen. «Der Staat darf sich für die politi­schen Meinungen der Bürger nur interessieren, soweit er dabei das Grundrecht der Meinungs­freiheit respektiert», sagt der Hamburger Staatsrechtslehrer Hans Peter Bull. … Bull sieht die neuartige Praxis entsprechend kritisch. «Die Verfassungsschutzbehörden sollen Nachrichten sammeln und auswerten, aber nicht selbst an der Entstehung von Nachrichten mitwirken», sagt er.”

“Beschäftigte des Bundesamtes und der Landesämter schlüpfen dafür in falsche Identitäten” – “Sie begehen sogar Straftaten”

Teilweise kann man sich denken, wer nach hinreichender Wahrscheinlichkeit für eine Geheimdienstbehörde arbeitet. Diese Individuen lehnen sich rechtlich sehr weit aus dem Fenster, warten mit brisanten oder exklusiven Informationen auf und treten gerne mal als geschossenes Wolfsrudel auf. – Anders ausgedrückt: Es wird das selbe Framing und die immer gleichen Talkingpoints bespielt. Oder, was machen eigentlich Desinformationen aus?

“Irreführende und falsche Informationen werden aber dann zu einer Gefahr, wenn sie das Ziel haben, Menschen vorsätzlich zu täuschen oder zu beeinflussen”

>>Bundesregierung<<

“Irreführende und falsche Informationen werden aber dann zu einer Gefahr, wenn sie das Ziel haben, Menschen vorsätzlich zu täuschen oder zu beeinflussen und gezielt verbreitet werden. Man spricht dann von Desinformation. Die Absicht dahinter ist also der wesentliche Unterschied zu einer Falschnachricht.”

Desinformation: “Die Absicht dahinter ist also der wesentliche Unterschied zu einer Falschnachricht”

Inwieweit und in welchen Umfang eigene Geheimdienstbehörden an Desinformation beteiligt sind, diese Fragestellung muss hier freilich offen bleiben. Vermutlich kann man aber davon ausgehen, dass die Geheimdienste sich sehr wohl am Willensbildungsprozess der Bevölkerung maßgeblich beteiligen.