“Pertinax, der die Prätorianer zu disziplinieren suchte” – “Schätzen Frustration und Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen falsch ein”

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Was haben die Prätorianer im Berliner Regierungsviertel und das kurze Leben und Wirken von Publius Helvius Pertinax einem ehemaligen Römischer Kaiser miteinander gemein? Streng genommen existieren heute keine Prätorianer im Regierungsviertel von Berlin, aber auf der anderen Seite augenscheinlich irgendwie doch. Zwar sind die Sicherheitsbehörden über das Leben der Staatsvertreter – nach außen – stets besorgt und der Geheimdienst will an vielen Stellen einem potentiellen Staatsstreich ausgemacht haben, aber auf die greifbarste aller Möglichkeit will niemand wirklich kommen. Worum geht es überhaupt?

Prätorianer – Wenn plötzlich die persönliche Leibgarde sich gegen einen wendet und zum Mörder wird

Publius Helvius Pertinax war ein römischer Kaiser, der von Januar bis März 193 n. Chr. regierte. Er wurde im Jahr 126 n. Chr. in Alba Pompeia geboren und stammte aus einer einfachen Familie. Seine Karriere begann er als Soldat, später wurde er Prätorianerpräfekt unter Kaiser Commodus. Zum Schluss stieg er sogar zum Kaiser auf und wurde nach rund drei Monaten im Amt ermordet.

“Mit Pertinax machten die Prätorianer kurzen Prozess, weil ihnen der Kaiser zu sparsam war”

>>Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer (Buch) <<

“Häufigstes Szenario des gewaltsamen Herrscherwechsels in Rom war die Usurpation, die stets nach dem gleichen Drehbuch ablief: Der – meist militärisch erfolgreiche – Befehlshaber einer der vielen Legionen an Roms Grenzen wurde von seinen Soldaten gegen den Amtsinhaber zum Kaiser ausgerufen. Weil die Legitimität jedes Princeps ohnehin auf wackeligen Füßen stand, gab es nach der Usurpation zwei konkurrierende Herrscher, die unter sich die Frage ausmachen mussten, wer den Purpur tragen sollte. Das ging nicht durch Rücktritt, sondern nur gewaltsam, in Form eines Bürgerkriegs, der dadurch eröffnet wurde, dass die Legionen des Usurpators nach Rom – oder dorthin, wo der Titelverteidiger gerade war – zogen und sich mit dessen Heer eine Schlacht lieferten. … Zwischen dem Tod des Augustus 14 n. Chr. und dem Herrschaftsantritt Diokletians 284 n. Chr. erlangten 14 Kaiser als Usurpatoren den Purpur. Dazu gesellten sich ungezählte erfolglose Usurpationsversuche. Sieben Kaiser, Claudius nicht mitgerechnet, fielen Mordanschlägen zum Opfer, auch da kommen noch etliche fehlgeschlagene Versuche hinzu. … Immer wieder wurde der Palatin, auf dem die Kaiser residierten, zum Tatort. Außer Claudius, dessen Gifttod nicht hundertprozentig gesichert ist, starben Caligula, Domitian, Commodus, Pertinax, Caracalla, Elagabal und Aurelian von Mörderhand. Mit Pertinax machten die Prätorianer kurzen Prozess, weil ihnen der Kaiser zu sparsam war.”

“Sieben Kaiser, Claudius nicht mitgerechnet, fielen Mordanschlägen zum Opfer, auch da kommen noch etliche fehlgeschlagene Versuche hinzu”

Er versuchte, die Korruption und Verschwendung in der Regierung zu bekämpfen und die Finanzen des Reiches zu sanieren. Seine Reformen stießen jedoch auf Widerstand bei den Prätorianern, die sich an die luxuriösen Lebensbedingungen unter Commodus gewöhnt hatten. Nach nur drei Monaten an der Macht wurde Pertinax von den Prätorianern gestürzt und ermordet. Sein Nachfolger wurde der reiche Senator Didius Julianus, der das Amt des Kaisers für eine hohe Summe von den Prätorianern kaufte.

Nach nur drei Monaten an der Macht wurde Pertinax von den Prätorianern gestürzt und ermordet

>>Geschichte der römischen Kaiserzeit von Karl Christ (Buch) <<

“Auf ein kurzes Zwischenspiel des Stadtpräfekten P. Helvius Pertinax, der die Prätorianer zu disziplinieren suchte und im übrigen dem Senat völlig ergeben war, folgten zwischen 193 und 197 n. Chr. blutige Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Heeresgruppen, in denen sich schließlich der Befehlshaber der Donauarmee, Septimius Severus (193–211 n. Chr.), gegen seine Rivalen Didius Iulianus, Pescennius Niger und Clodius Albinus durchsetzen konnte.”

“Pertinax, der die Prätorianer zu disziplinieren suchte”

Pertinax gilt als einer der wenigen ehrlichen und reformwilligen Kaiser in der späten römischen Geschichte. Seine kurze Regierungszeit zeigt jedoch auch die Schwäche des römischen Staates zu dieser Zeit, in dem die Armee und nicht der Senat über die Wahl des Kaisers entschieden hatte.

Warum auch heute niemand “Prätorianer zu disziplinieren” sucht

Nun in der heutigen zivilen Gesellschaft soll(te) es eigentlich anders ablaufen, oder etwa doch nicht? Vielleicht sollte man mal eine einfache gekürzte Veröffentlichung etwas genauer lesen.

“Schätzen Frustration und Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen falsch ein”

>>DBB Beamtenbund und Tarifunion<<

„Die Arbeitgebenden haben es nicht verstanden“, sagte dbb Chef … nach dem Abbruch der dritten Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen am … in Potsdam. „Bund und Kommunen respektieren die Sorgen und Nöte ihrer Beschäftigten nicht. Und sie schätzen Frustration und Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen falsch ein. Nur so ist zu erklären, dass sie uns hier wieder kein wirklich verbessertes Angebot vorgelegt haben. Das war zu wenig Bewegung in den wichtigen materiellen Fragen. Wir müssen Reallohnverluste verhindern und brauchen einen nachhaltigen Inflationsausgleich.”

“Wir müssen Reallohnverluste verhindern und brauchen einen nachhaltigen Inflationsausgleich”

Auch wenn es anders wirken mag: Reallohnverluste und Inflation stellen keine exklusiven Probleme von Beamte dar. Dennoch wirken sich deren Gehalts-Proteste ganz anders aus. Normale Protestkundgebungen kommen für gewöhnlich kaum über die Nulllinie – bei der Außenwirkung – hinaus. Über die Jahrzehnte – oder Jahrhunderte – konnten sich die Beamten auf diese Weise von der normalen Bevölkerung abgrenzen und erhebliche finanzielle Vorteile für sich verschaffen. Niemand traut sich an deren Exklusivrechte heran. Und es ist längst nicht alles. Auch medial wird ihre Position viel breiter und ausführlicher dargestellt.

“Ausgewogene Berichterstattung? – 92 Prozent der ARD-Volontäre wählen grün-rot-rot”

>>Welt<<

“Ausgewogene Berichterstattung? – 92 Prozent der ARD-Volontäre wählen grün-rot-rot – Wenn die Präferenzen von Redakteuren so krass von jenen der Gebührenzahler abweichen, ist es praktisch unmöglich, den Sendeauftrag zu erfüllen.”

Filterblase: “Wenn die Präferenzen von Redakteuren so krass von jenen der Gebührenzahler abweichen”

Obwohl in vielen Bundesländern es die Grünen teilweise nur mit Mühe über die Fünfprozenthürde schaffen, wird ihre Sichtweise sehr ausführlich im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk dargestellt. Dies ist auch recht einfach zu erklären.

“Grünen liegen vorn” – “32 Prozent der Beamtinnen und Beamten Bündnis 90/Die Grünen”

>>DBB Beamtenbund und Tarifunion<<

“Öffentlicher Dienst: Die Grünen liegen vorn – So würden aktuell 32 Prozent der Beamtinnen und Beamten Bündnis 90/Die Grünen, 28 Prozent CDU/CSU und 16 Prozent SPD wählen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des dbb. … Folgerichtig stehe für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Thema Umwelt- und Klimaschutz mit deutlichem Abstand (51 Prozent) ganz oben auf der Prioritätenliste wichtiger Themen für die nächste Bundesregierung, gefolgt von der Schul- und Bildungspolitik … .”

“Öffentlicher Dienst” – “Umwelt- und Klimaschutz mit deutlichem Abstand (51 Prozent) ganz oben auf der Prioritätenliste”

Beamte bestimmen üben nicht nur maßgeblich Einfluss auf die Politik und Medien aus, sondern sie sind gleichzeitig in der Exekutive und Judikative omnipräsent. Laut Grundgesetz ist diese Art der Machtanhäufung so nicht vorgesehen: Wenn man so möchte, könnte man es als stillen Staatsstreich bezeichnen. Interessant ist in diesem Zusammenhand die Fragestellung: Was, wenn in einen “autoritären Staat” alle “wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung” fehlen würden?

Autoritär geprägtes Staatsverständnis“ – „Ablehnung der in Demokratien üblichen Gewaltenteilung“

>>Bundesamt für Verfassungsschutz<<

„Bei Rechtsextremisten kommt in der Regel ein autoritär geprägtes Staatsverständnis hinzu. Oft geht dies einher mit einer Ablehnung der in Demokratien üblichen Gewaltenteilung. Neonazis fordern in Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus einen „Führerstaat“, in dem alle staatliche Macht auf die Entscheidungen einer Einzelperson zurückgeführt wird.“

„Autoritärer Staat“ – „Vermeintlich einheitliche Wille des Volkes soll dabei von staatlichen Führern intuitiv umgesetzt“ 

>>Landesamt für Verfassungsschutz<<

„Autoritärer Staat – Der Staat wird im völkischen Kollektivismus als „ethnisch-rassisch“ homogene „Volksgemeinschaft“ angesehen. Der vermeintlich einheitliche Wille des Volkes soll dabei von staatlichen Führern intuitiv umgesetzt werden. In einem so verstandenen autoritären Staat würden damit wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen, z.B. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition.“

„Autoritärer Staat“ – „Wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen“

Zwar wird hier explizit auf “Rechtsextremisten” der Fokus gelegt, aber die Umschreibungen ließen sich vermutlich auch auf andere Gruppen anwenden. Um noch mal auf den recht glücklosen römischen Kaiser Publius Helvius Pertinax und sein unrühmliches Ende zurückzukommen. Auch in moderner Zeit werden die allermeisten Putsche und Staatsstreiche eher aus den inneren Kreis der Regierung heraus verübt. Denn die “modernen Prätorianer” – im übertragenen Sinn – sind mit alle inneren Abläufen eines Staates bestens vertraut.