“Kulturelle Hegemonie” – “Eingriffe der Kolonisatoren hätten ein Weltbild geschaffen, dem sich auch die kolonisierten Gesellschaften nicht entziehen konnten”

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Gibt es eine sorbische Moderne?” – Die Frage mag auf Sorben vielleicht banal wirken. Tatsächlich fällt die Antwort darauf sehr vielschichtig aus. Zumindest nach außen wird die Sorbische Kultur sehr einseitig dargestellt und die typischen Klischees tauchen regelmäßig auf.

„Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten“

>>taz<<

“Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es eine sorbische Moderne?

Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik, es gibt Literatur aller Genres, moderne Thea­ter­stücke. Es gibt alles, was unsere deutschen Nachbarn auch haben.”

„Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben“

Natürlich hat Folklore ihre Berechtigung. Dennoch ist der Vorwurf der “kulturelle Hegemonie” sehr nah. Ursprünglich stammt diese Begrifflichkeit aus der Kolonialzeit heraus. Insbesondere in Indien ist die Thematik nicht unbekannt.

“Kulturelle Hegemonie” – “Eingriffe der Kolonisatoren hätten ein Weltbild geschaffen, dem sich auch die kolonisierten Gesellschaften nicht entziehen konnten”

>>Deutsche Kolonialgeschichte von Sebastian Conrad (Buch) <<

“In den letzten Jahren ist vor allem von Autoren aus dem Bereich der postcolonial studies die These vertreten worden, daß der Kolonialismus gerade auf dem Feld der Kultur und des Wissens bleibende Nachwirkungen gehabt hat. Der Inbesitznahme fremder Territorien folgte in dieser Lesart die Internalisierung des imperialen Blicks und des mit ihm verbundenen Fortschrittsversprechens. Das koloniale Selbstverständnis sei auf beiden Seiten in Form einer «Kolonisierung der Imagination» gleichsam naturalisiert worden. Denn die Eingriffe der Kolonisatoren hätten ein Weltbild geschaffen, dem sich auch die kolonisierten Gesellschaften nicht entziehen konnten und dessen kulturelle Hegemonie (Gramsci) die formale Unabhängigkeit und Dekolonisation überlebt habe. So warnte Mahatma Gandhi in Indien davor, daß der unabhängige Staat Gefahr laufe, die modernisierenden Projekte der kolonialen Epoche lediglich fortzuführen: «English rule without the Englishmen». Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche postkoloniale Intellektuelle – angefangen bei Frantz Fanon und Aimé Césaire in den 1950er Jahren – eine Dekolonisation der Köpfe gefordert.”

“Kulturelle Hegemonie” – “Eine Dekolonisation der Köpfe gefordert”

Vielleicht mag der Vergleich mit Indien etwas weit hergeholt sein, wenngleich verschiedene Grundmuster auch in die Lausitz sichtbar sind. Durch öffentliche Mittel wird nicht nur Folklore sehr einseitig gefördert, sondern vergleichbare Dinge finden auch in der Literatur statt.

Bürokratischer Wasserkopf – „Stiftungsverwaltung nur etwas weniger Geld verschlingt als der gesamte Domowina-Verlag“

>>Technische Universität Dresden<<

„Manches Manuskript liegt beim Verlag und kann nicht veröffentlicht werden. Dass die Stiftungsverwaltung nur etwas weniger Geld verschlingt als der gesamte Domowina-Verlag, hält Prunitsch für einen Kardinalfehler der Kulturförderung. Wenn die Sorben ihre Verlagsproduktion an Belletristik und Periodika nicht mehr aufrechterhalten können, prophezeit er, dann hilft auch kein traditionelles Tanzensemble mehr – dann droht die sorbische Kultur unterzugehen.“

Ohne Literatur: „… dann droht die sorbische Kultur unterzugehen“

Oberflächlich betrachtet mag es um eine richtige und ehrenwerte Sache gehen, aber im Endeffekt dreht sich faktisch alles nur um staatliche Subventionen und hochbezahlte Planstellen herum. Außerdem ist eine tendenzielle Förderungskultur nicht wirklich von der Hand zu weisen.

Das Streben nach Geld und Macht

>>Technische Universität Dresden<<

„Eine vorausschauende Kulturpolitik, merkt Christian Prunitsch dabei kritisch an, sollte experimentellen Projekten mehr Geld einräumen, anstatt die Stiftungsmittel institutionsgebunden (für Planstellen etc.) auszureichen.“

„Stiftungsmittel institutionsgebunden (für Planstellen etc.) auszureichen“

Die Aussage: “Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten.”geht sicherlich zum erheblichen Teil auf die Verwendung von öffentlichen Mitteln zurück. Zumal offenkundig nur bestimmte Akteure zu Wort kommen dürfen.

“Der Freistaat ignoriere die Meinung des demokratisch gewählten Parlaments der Sorben”

>>Lausitzer Rundschau<<

“Der Freistaat ignoriere die Meinung des demokratisch gewählten Parlaments der Sorben, lehne jede Gesprächsbitte ab und lasse nur handverlesene und zum Teil in direkter finanzieller oder anderer Abhängigkeit vom Staat stehende Akteure zu. Viele Probleme blieben den Entscheidern dadurch verborgen.”

“Es sei notwendig, den Sorben wirkliche Mitbestimmungsrechte einzuräumen”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Es sei notwendig, den Sorben wirkliche Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Die bisherige Praxis der Sorbenräte bei den Landtagen in Sachsen und Brandenburg habe sich als nicht ausreichend erwiesen, weil Sorben dort nur das Recht auf Anhörung hätten.”

“Praxis der Sorbenräte bei den Landtagen” – “Sorben dort nur das Recht auf Anhörung hätten”

Das “Recht auf Anhörung” dürfte vermutlich eines der niedrigsten Rechte überhaupt sein. Es ist deshalb auch kaum verwunderlich, wenn Begrifflichkeit wie “Kolonialmacht” noch heute fallen.

“Sorbischen Volk seine Rechte zurückzugeben” – “Wir Sorben haben 1000 Jahre Kolonialisation hinter uns”

>>watson<<

” … findet, dass Deutschland in der Lausitz immer noch die Stellung einer Kolonialmacht einnimmt und sagt im Gespräch mit watson:

“Wir Sorben haben 1000 Jahre Kolonialisation hinter uns. Und ich denke, wenn das deutsche Staatswesen der Meinung ist, nicht mehr Kolonialmacht sein zu wollen, dann heißt das im Umkehrschluss auch, dem sorbischen Volk seine Rechte zurückzugeben, die ihm über 1000 Jahre vorenthalten worden sind – in dem Rahmen wo es ihm nicht weh tut, weil es interne Dinge wie die Bildungsautonomie betrifft.”

“Sorbischen Volk seine Rechte zurückzugeben” – “Dinge wie die Bildungsautonomie betrifft”

Durch Rechte – wie die Bildungsautonomie – könnten die Sorben selbst über ihre eigenen Geschicke bestimmen. Auch das Thema Folklore könnte dann anders bewertet werden.