Meinungsfreiheit & Wahlen: “Für ein Drittel der Befragten gleicht Deutschland inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie”

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Schwindendes Vertrauen in die Politik: Wie eng wird der Meinungskorridor? – In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Politik schwindet, werfen wir einen Blick auf die Ursachen und die Rolle der Medien bei der Meinungsbildung. Dabei sollte auch der Einfluss der sozialen Medien auf den Meinungskorridor nicht außer Acht gelassen werden. Wie ließe sich also durch Partizipation der Meinungskorridor erweitern? Zunächst sieht die Bestandsaufnahme doch sehr ernüchtern aus.

“Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie wächst”

>>Focus<<

“Die Menschen in Sachsen haben immer weniger Vertrauen in die Politik, die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie wächst. … 82 Prozent der Sachsen haben wenig oder gar kein Vertrauen in die Ampel-Koalition. Das sind 26 Prozent mehr als beim vorherigen Sachsen-Monitor. 59 Prozent sind mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden. Für ein Drittel der Befragten gleicht Deutschland inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.”

“Für ein Drittel der Befragten gleicht Deutschland inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie”

Die Aktualität dieser Umfrage kann hier mal außen vor bleiben, aber es handelt sich hierbei um Werte, welche normalerweise von instabilen oder bis hin zu gescheiterten Staaten zu erwarten wären. Die Gründe für das schwindende Vertrauen in die Politik sind vielfältig und komplex. Einerseits spielen Skandale und Korruption in der Politik eine große Rolle, die das Vertrauen der Bürger nachhaltig erschüttern. Andererseits führen auch mangelnde Transparenz und bürokratische Entscheidungsprozesse dazu, dass die Bevölkerung das Gefühl hat, nicht gehört oder repräsentiert zu werden.

“Grundlegenden Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Staat”

>>Bundesverfassungsgericht<<

„Aus dieser grundlegenden Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Staat ergibt sich, daß es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz (und damit zwangsläufig durch die Rechtsprechung der die Gesetze auslegenden Gerichte) zu überlassen. Es gilt vielmehr im Prinzip auch hier, was oben allgemein über das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung ausgeführt wurde: die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt.“

Bundesverfassungsgericht: “Das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung”

Tatsächlich gehören Meinungsfreiheit und freie Wahlen unmittelbar zusammen. Ohne die Gewährleistung von Meinungsfreiheit kann eine freie Wahl schlicht nicht möglich seien, weil die politischen Strömungen oder Parteien keine Chancengleichheit hätten. Normalerweise müsste die zunehmende Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft, sowie das Misstrauen gegenüber politischen Entscheidungsträgern in der politisch-gesellschaftlichen Debatte ankommen. Tatsächlich ist davon wenig zu spüren, stattdessen wird der Meinungskorridor immer enger.

“Gespräch von Konzernchef zu Kanzlerin – doch das Tischmikrofon war an”

>>Spiegel<<

“Facebook-Chef verspricht Kampf gegen Hassparolen – Es war ein Gespräch von Konzernchef zu Kanzlerin – doch das Tischmikrofon war an. … Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesagt, sich um Maßnahmen gegen Hassparolen in dem Online-Netzwerk zu kümmern. “Ich denke, wir müssen daran arbeiten”, sagte Zuckerberg zu Merkel bei einer Uno-Veranstaltung. Als Merkel nachfragte, ob er die Situation verbessern wolle, antwortete er mit “Ja”.

“Ich denke, wir müssen daran arbeiten”

Solche öffentlich-bekannten Vorfällen können natürlich als Ursachen für das schwindende Vertrauen in die Politik gewertet werden. Sicherlich diese Vorkommnisse kaum dazu bei, um das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen und den Meinungskorridor zu erweitern. Leider handelt es sich hierbei um keinen Einzelfall.

“Politik und der Verwaltung herangetragene Löschersuchen umzusetzen und damit mittelbar in die politische Willensbildung des Volkes einzugreifen”

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

“Diese sogenannten Twitter Files dokumentieren, dass Betreiber sozialer Netzwerke offenbar willig sind, aus der Politik und der Verwaltung herangetragene Löschersuchen umzusetzen und damit mittelbar in die politische Willensbildung des Volkes einzugreifen. Der alleinige Twitter-Eigentümer Elon Musk hat sich wiederholt als Verfechter der freien Meinungsäußerung bezeichnet (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/der-vogel-ist-frei-was-elon-musk-unte r-meinungsfreiheit-versteht-9067603.html).

Er hat mittlerweile neben anderen Konten auch das Konto des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, das während des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2020 von der seinerzeitigen Twitter-Führung gesperrt worden war, wieder freigeschaltet (https://www.zeit.de/digital/2022-11/elon-musk-twitter-amnestie). Twitter ist nicht die einzige Plattform, die die Beschneidung der Meinungsfreiheit nach Ansicht der Fragesteller offenlegt.

In einem Interview gibt Mark Zuckerberg, Gründer und CEO des börsennotierten Konzerns Meta (mit Facebook, Instagram und WhatsApp) zu, wie er von der US-Sicherheitsbehörde FBI dazu gebracht wurde, seine sozialen Netzwerke parteiisch gegen den Amtsinhaber Donald Trump und für den Herausforderer Joe Biden zu positionieren (https://youtu.be/mOLK1HQUvNs, ab Minute 1:40). Die FBI-Beamten instrumentalisierten die eigens geschaffene „Missinformation“, dass auf dem Rechner Hunter Bidens (https://www.nzz.ch/feuilleton/laptop-saga-hunter-biden-bringt-seinen-vater-in-bedraengnis-ld.1685440), des Sohns des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, nicht etwa Tausende „echte Mails“ mit den „Geschäftskontakten“ der Familie Biden in die Ukraine zu finden seien, sondern nur „russische Propaganda“.

Mark Zuckerberg bestätigte, dass deswegen deren „Verbreitung auf Facebook verringert wurde“. In der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 20/4166 wurde nach „Löschersuchen und Abfrage von Nutzerdaten der Bundesregierung an Betreiber von sozialen Netzwerken und  Sofortnachrichtendiensten“ gefragt.”

“Verbreitung auf Facebook verringert wurde”

Die Medien als Schlüsselakteure spielen bei der Meinungsbildung eine entscheidende Rolle in der heutigen Gesellschaft. Sie beeinflussen, welche Informationen die Öffentlichkeit erhält und wie diese präsentiert werden. Eine vielfältige Berichterstattung fördert ein ausgewogenes Meinungsbild, während einseitige Darstellungen das Vertrauen in politische Entscheidungsträger untergraben können. Es stellt sich hierbei grundsätzlich die Frage: Ob die Einmischung oder Einwirkung von Regierungsbehörden auf Suchmaschinen und soziale Medien überhaupt rechtskonform seien?

“Verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern”

>>Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg<<

“Jedenfalls dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat verbietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht darüber hinaus aber auch, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren… Die entsprechenden Paraphrasierungen und Einordnungen sind von der Antragsgegnerin im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens selbst als polemisch überspitzter Satz und als bewusst zugespitzte Meinungsäußerungen bezeichnet worden, und zwar zu Recht. Mit der vom Antragsteller gerügten Passage wird nicht nüchtern dargestellt und analysiert, sondern in einer Weise paraphrasiert und bewertet, die die Grenze zur Überzeichnung überschreitet und geeignet ist, den Antragsteller herabzusetzen… Darin liegt ohne weiteres das stillschweigende Anerkenntnis, dass die Bundesrepublik die vom Antragsteller gerügte Passage in einer eigenen amtlichen Äußerung so nicht hätte verwenden dürfen. Das ist zu unterstreichen… Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung einer Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen… erfolgt ist… Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Veröffentlichung des Berichts mit der beanstandeten Passage ohne hinreichende inhaltliche Distanzierung vor.”

Durch Steuergeld bezahlt: Regierungsbehörden als aktiver Akteur im Meinungsbildungsprozess?

Es betrifft also nicht nur die Meinungsfreiheit. Tatsächlich kommt es immer häufiger vor, dass die Regierungsbehörden ihre wertneutrale Rolle verlassen und sich selbst als aktiver Akteur im “Kampf der Meinungen” beteiligen. Es wird hierzu ein juristisches Hilfskonstrukt gebastelt, worin es wichtig sein soll, tatsächliche oder vermeintliche Fake News und Desinformation zu bekämpfen. Es werden demzufolge öffentlich-bezahlte Förderprogramme aufgelegt, welche Personen oder ganze Medienportale diskreditieren sollen. Insbesondere der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist hierbei ganz vorn mit dabei. Diese Veröffentlichungen tauchen dann bei Suchmaschinen oder sozialen Medien an prominenter Stelle auf.

“Meinungsfreiheit Matrix und unabdingbare Voraussetzung aller anderen Arten von Freiheit sei”

>>Freiheit in Gefahr von Hans-Jürgen Papier (Buch) <<

“1937 formulierte Benjamin N. Cardozo, Richter am amerikanischen Obersten Gerichtshof, den berühmten Satz, nach dem die Meinungsfreiheit Matrix und unabdingbare Voraussetzung aller anderen Arten von Freiheit sei. Mit anderen Worten: Alle anderen Freiheiten, insbesondere die Freiheit der Presse, der Wissenschaft und der Kunst, wären ohne sie nicht denkbar. Dieser Auffassung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. In seiner grundlegenden und wohl bedeutendsten Entscheidung zur Meinungsfreiheit des Grundgesetzes – dem sogenannten Lüth-Urteil vom 15. Januar 1958 – heißt es:

»Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt […] Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist […] Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt.«

“Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft”

Weiter führt der Autor im Buch unmittelbar danach aus.

Meinungsfreiheit: “Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt”

>>Freiheit in Gefahr von Hans-Jürgen Papier (Buch) <<

“Angesichts dieser allgemeinen Wertschätzung sollten nicht nur Verfassungsrechtler hellhörig werden, wenn seit Jahren immer wieder gefordert wird, aufgrund von Hassreden, Shitstorms und der Zunahme von Fake News im Internet müssten wir die Meinungsfreiheit »neu denken«. Die Vertreter dieser These argumentieren, unter den Bedingungen der Digitalisierung gebe es kaum noch Grenzen für die Verbreitung von Falschmeldungen und »gefühlten Wahrheiten«. Mehr und mehr entstünden sogenannte alternative Realitäten. Meldungen und Behauptungen würden nicht mehr auf ihre Plausibilität hin überprüft, es würde nicht mehr um Verständigung gerungen. Stattdessen sammelten sich die Anhänger gemeinsam geteilter Glaubenssätze verstärkt in je eigenen Communitys, die sich gegenüber unwillkommenen Argumenten abschotteten und durch Andersdenkende kaum noch erreichbar seien. Das bedrohe zunehmend unsere Demokratie und Gesellschaftsordnung, die wesentlich auf einem geteilten Konsens darüber beruhten, was als wahr und rational anzunehmen sei.”

“Meldungen und Behauptungen würden nicht mehr auf ihre Plausibilität hin überprüft”

Insbesondere die staatlichen Behörden sollten daher eine kritische Rolle einnehmen und anfangen selbstständig zu denken und zu hinterfragen. Ein anderer wichtiger Ansatz zur Erweiterung des Meinungskorridors liegt in der aktiven Partizipation der Bürger. Durch direkte Beteiligung und direkte Demokratie an politischen Prozessen können Menschen ihre Meinungen und Bedürfnisse besser einbringen und somit den Diskurs vielfältiger gestalten. Partizipation ermöglicht es, die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden und unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen. Dies trägt dazu bei, dass politische Entscheidungen eher akzeptiert werden und das Vertrauen in die Politik gestärkt werden kann. Partizipation kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden, sei es durch Bürgerbeteiligungsprojekte, Volksabstimmungen oder die Arbeit in Bürgerinitiativen. Ein offener und inklusiver Partizipationsprozess kann dazu beitragen, den Meinungskorridor zu erweitern und eine lebendige Demokratie zu fördern.