“Geschichte der Lausitzer Predigergesellschaft zu Leipzig”

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Die Lausitzer Predigergesellschaft war ein Verein sorbischer evangelischer Theologiestudenten, der im 18. und 19. Jahrhundert gegründet wurde, um auf den kirchlichen Dienst vorbereitet zu werden. Um das reformatorische Prinzip der Muttersprache in der sorbischen Sprachregion durchzusetzen, waren akademisch ausgebildete Pfarrer erforderlich. An der Universität Frankfurt/Oder wurden ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis nach dem Dreißigjährigen Krieg erste Ansätze für eine niedersorbische Sprachausbildung dokumentiert.

“Eine Rückverlegung der sorbischen Lehrerausbildung nach Bautzen ist historisch durchaus überfällig”

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“Eine Rückverlegung der sorbischen Lehrerausbildung nach Bautzen ist historisch durchaus überfällig. Die Gründung des Instituts für Sorabistik an der Universität Leipzig im Jahr 1951 mit ihrer Lehrerausbildung fernab vom sorbischen Sprachgebiet und fernab der Hospitationsmöglichkeiten war Teil der Denationalisierungsstrategie der DDR-Regierung (die 1716 in Leipzig gegründete „Lausitzer Predigergesellschaft“ galt wie das ebenfalls 1716 in Prag gegründete „Lausitzisch-wendische Priesterseminar“ der Theologie, nicht den Lehrern). Im Jahr 1736 erfolgte die Einrichtung der sorbischen Lehrerbildungsanstalt durch die Grafen von Gersdorf in Klix. Als 1810 die Oberlausitzer Landstände die Gründung eines Lehrerseminars planten, verhandelten sie zunächst mit einem Sorben, nämlich Georg Juhr/Jurij Žur. Aus dem 1817 eingerichteten Landständischen Lehrerseminar 137 Bautzen (dem dann am gleichen Ort ab 1851 das erste Katholische Lehrerseminar in Sachsen zur Seite gestellt wurde) stammte ein wichtiger Teil der protestanti- schen Funktionselite des Völkerfrühlings 1848 und des späteren nationalen Erwachens nach 1870.”

“Lausitzer Predigergesellschaft” – “Galt wie das ebenfalls 1716 in Prag gegründete „Lausitzisch-wendische Priesterseminar“ der Theologie, nicht den Lehrern”

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand auf Initiative von Michał Frencel als älteste sorbische Organisation die “Fraternität unter den Wendenpfarrern”, über deren Aktivitäten jedoch wenig bekannt ist. Nachdem die Landsmannschaften an der Universität Leipzig zwischen 1680 und 1682 abgeschafft worden waren, wurden Gesellschaften zur Förderung religiöser, wissenschaftlicher und regionaler Interessen gegründet – darunter August Hermann Franckes “Collegium Philobiblicum” (1686), das “Vertraute Collegium poeticum Gorliciense” (1697) sowie ein polnisches Predigerkollegium (1706).

Gesellschaften zur Förderung religiöser, wissenschaftlicher und regionaler Interessen

Im Jahre 1716 gründeten sechs sorbische Theologiestudenten – Jan Ast, Hadam Zacharias Šěrach, Jan Mosak, Jan Jurij Bar, Jan Chrysta Bulitius und Jurij Knježk – das Wendische Predigerkollegium an der Universität Leipzig. Abgesehen von der Fraternität war dies die erste Vereinigung zur Förderung der sorbischen Sprache und überhaupt der erste sorbische Verein. Die Wendische Predigergesellschaft erhielt ihre Zustimmung vom Dekan der theologischen Fakultät, Hofprediger Heinrich Pipping, und dem Dresdner Superintendenten Valentin Ernst Löscher. Sie durfte sich wöchentlich in der Paulinerkirche treffen, wo die Mitglieder einander sorbische Predigten vortrugen und rezensierten. Der Leipziger Theologieprofessor Johann Gottlob Pfeiffer fungierte als erster Mentor und beeinflusste einige Mitglieder im lutherisch-pietistischen Sinne. Im Jahr 1755 wurde die Satzung so geändert, dass auch Sorben aufgenommen werden konnten, die nicht Theologie studierten, sondern Jura oder Medizin. Dabei hat die Stadt Leipzig in unmittelbarer Konkurenz zu den heutigen Tschechien, respektive Prag gestanden.

Lausitzer Sorben: “Nahe der Grenze zu Tschechien und Polen, lebt eine der vier nationalen Minderheiten Deutschlands” 

>>Radio Prag<<

“Im südöstlichen Sachsen, nahe der Grenze zu Tschechien und Polen, lebt eine der vier nationalen Minderheiten Deutschlands: die Lausitzer Sorben. Jahrhunderte lang hatten sie ein enges Verhältnis zu Böhmen, und diese Partnerschaft half ihnen, ihre Kultur und Identität zu bewahren. … Sie waren damals auch verwandtschaftlich verbunden: Die Mutter des heiligen Wenzels, des tschechischen Nationalen Hauptpatrons aus den 10. Jahrhundert, gehörte zu einem slawischen Stamm aus der Nähe von Berlin.”

Lausitzer Sorben: “Jahrhunderte lang hatten sie ein enges Verhältnis zu Böhmen” 

Die Wendische Predigergesellschaft sollte zu einer Art freimaurerischem Freundschaftsorden werden, doch dieser Vorschlag wurde von der Universität abgelehnt. Höhepunkt des 18. Jahrhunderts für die Leipziger Wendische Predigergesellschaft war das Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen im Zeitraum von 1766 bis 1767. Es wurden mehrere historische Bücher veröffentlicht, welche den Beginn einer eigenständigen sorbischen Geschichtsschreibung markieren – darunter Werke von Georg Körner und Christian Knauthe. Ehemalige Mitglieder gründeten einen Aufsichtsrat namens Präsidium und legten damit den Grundstein für eine sorbische Bibliothek. Um die Jahreswende zwischen 1766/67 erschien mit den “Lipske nowizny a wšitkizny” in zwei Ausgaben eine erste handschriftliche sorbische Zeitung. Das von Jurij Rak gedichtete und komponierte Lied “Jubiläumsode” gilt als das erste sorbische Kunstlied. Die Rede “Rěčerski kěrliš“, verfasst von Jurij Mjeń anlässlich des Jubiläums, wird als bedeutendste Zeugnis der sorbischen Literatur des 18. Jahrhunderts angesehen und markiert gleichzeitig den Beginn weltlicher Dichtung.

Als Wendische Predigergesellschaft in eine Gelehrtengesellschaft umgewandelt werden sollte

Der Vorschlag von Körner, die Wendische Predigergesellschaft in eine Gelehrtengesellschaft umzuwandeln, wurde nicht umgesetzt. Da die Anzahl der sorbischen Studenten in Leipzig schwankte und dadurch die Existenz der Gesellschaft mehrfach gefährdet war, öffnete sie sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts für deutsche Lausitzer; ab dem Jahr 1795 wurden abwechselnd deutsche und sorbische Predigten gehalten. Das hundertjährige Jubiläum im Jahr 1816 wurde maßgeblich durch Handrij Lubjenski und Bjedrich Adolf Klin geprägt. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Wendische Predigergesellschaft zum Geburtsort der sorbischen Romantik.

Wendische Predigergesellschaft zum Geburtsort der sorbischen Romantik

Die Studenten Handrij Bróska, Handrij Zejler, Hendrich Awgust Krygar und Korla Benjamin Hatas waren neben Jan Arnošt Smoler Wegbereiter für eine nationale Wiedergeburt. Ab dem Jahr 1810 wurde die Gesellschaft unter dem Namen “Lausitzer Predigergesellschaft” zu einer seminaristisch arbeitenden Verbindung, vor allem für Theologiestudenten. Das sorbische Seminar “Sorabicum”, das ab 1861 von Hermann Lotze geleitet wurde, bestand bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit der Berufung August Leskiens an die Universität Leipzig im Jahr 1870 wurde Slawistik als ordentliches Lehrfach eingeführt, in dessen Rahmen auch die sorbische Sprache behandelt wurde. Im Jahr 1875 initiierte Pfarrer Jaroměr Hendrich Imiš zur praktischen Ausbildung der evangelischen Theologiestudenten die Gründung des Wendischen homiletischen Seminars in Göda. Durch diese Veränderungen nahm die Bedeutung der Wendischen Predigergesellschaft für die Geistes- und Kulturgeschichte der Lausitzer Sorben ab.

Bedeutung der Wendischen Predigergesellschaft für die Geistes- und Kulturgeschichte der Lausitzer Sorben

Die Predigergesellschaft in Leipzig, nun unter dem Namen “Sorabia” bekannt geworden, existierte bis zum Jahr 1936. Das Vereinshaus sowie das Archiv und Teile der Bibliothek wurden Eigentum der örtlichen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche – sofern sie nicht bereits während Plünderungen im Jahre1945 verloren gingen. Die Tradition wird sowohl von der Studentengruppe “Sorabija”, welche sich im Jahr1949 am Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig gründete, als auch von den Alten Herren innerhalb des Landsmannschaftsverbandes Westfalen weitergeführt. Diese gründeten im Jahr 1964 die Landsmannschaft “Sorabia-Westfalia“. Etwa 300 Sorben waren Mitglieder der Wendischen Predigergesellschaft in Leipzig zwischen den Jahren1716 und1867. Durch diese Gesellschaft wurden Ideen des Luthertums, Pietismus, Aufklärung und Romantik in die Lausitz gebracht. Die Wittenberger Wendische Predigergesellschaft wurde nach dem Vorbild von Leipzig im Jahr 1749 gegründet.

“Geschichte der Lausitzer Predigergesellschaft zu Leipzig”

>>sorabicon<<

“Zur Geschichte der Lausitzer Predigergesellschaft zu Leipzig und ihres Archivs, in: Lětopis 48 (2001) 1; G. Graf: Vom Wendischen Prediger-Collegium zur Landsmannschaft Sorabia. Ein Beispiel studentischer Selbsthilfe durch mehr als zwei Jahrhunderte, in: Lětopis 53 (2006) 1; R. Haas: Societas Lusatorum Sorabica. Geschichte der Lausitzer Prediger-Gesellschaft und der Landsmannschaft Sorabia Leipzig von 1716 an.”

“Vom Wendischen Prediger-Collegium zur Landsmannschaft Sorabia”

Die Namen der Gründer sind nicht überliefert. Die Studenten hielten sorbische Predigten in der Schlosskirche und pflegten darüber hinaus sorbische Konversation und Gemeinschaft, wie Abschiedsgedichte aus Wittenberg belegen. Nach einer Pause ab dem Jahr1760 erlebte die Gesellschaft ab1770 unter Leitung von Samuel Bohuwěr Ponich ihren Höhepunkt.