Jan Hus – Kreuzzüge gegen Christen: Die Hussitenkriege in der Lausitz

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Wenn Bürgermeister, mehrere Ratsherren und Richter aus dem Fenster geworfen werden. Ein solches Ereignis würde auch in der heutigen Zeit sicherlich so manchen Schenkelklopfer auslösen. Der erster Prager Fenstersturz am 30. Juli 1419 soll zwar weitestgehend glimpflich ausgegangen sein, allerdings wurden die Amtsträger – unten angekommen – von der wütenden Menge gelyncht. Denn jenseits ihrer repräsentativen Festungsmauern hatte sich viel Wut angestaut. Eine hohe Abgabenlast, viele Repressalien gegen die Bevölkerung und ein ausschweifender Lebensstil vieler Amts- und Würdenträgern brachten: Das Fass zum Überlaufen. Die daraufhin beginnenden Hussitenkriege trafen auch die Lausitz.

„Aus dem Fenster geworfen“ – „Bürgermeister mehrere Ratsherren und Richter“

>>Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648 von Herfried Münkler (Buch) <<

„Am 30. Juli 1419 waren Anhänger des vier Jahre zuvor auf dem Konstanzer Konzil verbrannten Theologen Jan Hus in das Rathaus der Neustadt eingedrungen, um dort inhaftierte Glaubensgenossen zu befreien. Im Zuge dieser Befreiungsaktion hatten sie den Bürgermeister, mehrere Ratsherren und Richter sowie einige Gemeindeälteste, insgesamt zehn Personen, aus dem Fenster geworfen, die dann im Hof von einer aufgebrachten Menge mit Hiebwaffen totgeschlagen wurden. Dieser erste Prager Fenstersturz steht für den Anfang der Hussitenkriege, in denen sich die Böhmen gegen die Ritterheere des Kaisers militärisch behauptet hatten; zuletzt trotzten sie ihren Widersachern eine Reihe religionspolitischer Zugeständnisse ab.“

„Erste Prager Fenstersturz steht für den Anfang der Hussitenkriege“

Nachdem ersten Prager Fenstersturz brachen die blutigen Hussitenkriege aus. Es handelte sich dabei aber weniger um einen Krieg zwischen zwei Staaten, sondern mehr um einen internen Bürgerkrieg. Aus heutiger Sicht wirken diese geschichtlichen Ereignisse sehr Abstrakt und irgendwie Weltfremd. Sicherlich nicht ohne Grund: In den heutigen Geschichtsbüchern werden diese Ereignisse häufig sehr verzehrend dargestellt. Abstrakte theologische Glaubensfragen sollen einen grausamen Krieg auslösen? Ganz so leicht waren auch zu damaliger Zeit die Gemüter nicht zu erhitzen.

Weltlicher Lebensstil viele Amts- und Kirchenfürsten

Ein wesentlicher Stein des Anstoßes: Der sehr weltliche Lebensstil viele Amts- und Kirchenfürsten. Die drückende Steuer- und Abgabenlast schürten den Unmut noch weiter an. Das alles passte natürlich mit dem Lehren Jesus Christus schlecht zusammen. Der Theologe Jan Hus kritisierte in seinen Schriften – unter anderen – genau diese kirchliche Prunksucht. Mit seiner Ansicht stand er keineswegs alleine da – mit dem Unterschied: Er prangerte dies Öffentlichkeitswirksam an. Seine Schriften verbreiteten sich daher wie ein Lauffeuer.

Die Popularität von Jan Hus war gefährlich

Der damaligen Obrigkeit passte die Popularität von Jan Hus so rein gar nicht in den Kram. Letztlich wurde er kurzerhand verhaftet und von einen weltlichen Gericht als Häretiker oder Ketzer zum Tode verurteilt. Nachdem Jan Hus auf dem Scheiterhaufen in Flammen aufging: Standen nun seine Anhänger auf der „Abschussliste“ und wurden ebenso verhaftet. Allerdings dagegen organisierte sich lautstarker Protest: Was zum ersten Prager Fenstersturz führte. Der kurz darauf einsetzende Hussitenkrieg zog sich über mehrere Jahrzehnte hin. Es wurden gezielt Klöster, Burgen und sonstige repräsentative Bauten herrschaftlicher Macht angegriffen.

Kriege -Kreuzzüge und Verschwendungssucht des Adels

Grund für den Krieg: Viele Menschen standen auch mit den Rücken zur Wand. Die Steuerlast war durch Kriege, Kreuzzüge und der Verschwendungssucht des Adels hoch. Ein falsches Wort oder eine zu große „Nähe“ zu den Gedanken von Jan Hus reichten mitunter schon aus: Um ebenso als Ketzer verbrannt zu werden. Kurzum: Viele hatten schlicht nichts mehr zu verlieren. Auch Intellektuell saß der Adel hinter einer bröselnden Festungsmauer: Das zeigte sich insbesondere beim Prozess von Jan Hus.

Geistige Bankrotterklärung: Wenn Kirchenfürsten den theologischen Diskurs verweigern

>>Bibelbund<<

„In den Verhören des Konzils verlangte man von Hus, seine vorgeblichen Irrlehren zu bereuen und zu widerrufen Hus willigte unter der Voraussetzung ein, dass man ihm seine Irrtümer anhand der Bibel aufzeigen könne. Weil niemand wirklich an einer theologischen Disputation interessiert war, wurde Hus von den ungeduldigen Teilnehmern immer wieder mit den Worten „Verbrennt ihn! Verbrennt ihn!” unterbrochen. Da man in dieser heiklen kirchenpolitischen Situation aber keine weiteren Kontroversen anfachen wollte, zog sich der Prozess tagelang hin, … „

Theologische Glaubensfragen versus Schnöde Machtinteressen

Wenn Kirchenfürsten den theologischen Diskurs verweigern. Das Gerichtsverfahren von Jan Hus stellte sich im Nachhinein als geistige Bankrotterklärung heraus. Letztendlich ging es mitnichten um abstrakte theologische Glaubensfragen, sondern mehr um schnöde Machtinteressen. Mit der Verurteilung und Hinrichtung von Jan Hus war sogleich auch eine Zeitenwende eingeläutet: Eine Diskussion auf Augenhöhe war von der Obrigkeit unerwünscht. Zu lautstarke Kritik konnte mitunter ein Todesurteil nach sich ziehen.

Erster Prager Fenstersturz: Wie ein Zündfunke ein Inferno auslöste

Viele Menschen standen ohnehin durch die hohe Steuerlast finanziell mit den Rücken zur Wand und hatten nichts mehr zu verlieren. In dieser explosiven Gemengelage reicht ein Zündfunke – oder wahlweise ein triviale Anlass – aus, um ein Inferno auszulösen. Der erste Prager Fenstersturz war so ein Zündfunke. Danach folgte ein jahrelanger Bürgerkrieg, der auch die Lausitz in Mitleidenschaft zog. Zu jener Zeit gehörte die Lausitz – wie Böhmen – noch der Habsburger Monarchie an und war ebenso mehrheitlich von einer Slawischen Bevölkerung bewohnt. Die Verhältnisse mit den benachbarten Böhmen glichen sich also, wo ebenso Slawen die Mehrheit bildeten.

„Kirchlichen Pfründe und Machtansprüche mit allen Mitteln zu verteidigen“

Doch die Hussitenkriege waren letztendlich nur ein Glied in einer sehr langen Kette: Von Kreuzzügen gegen Christen.

Gegen Christen: „Kreuzzüge zu ihrer Auslöschung wurden ausgerufen“

>>Stuttgarter Nachrichten<<

„Jan Hus und Giordano Bruno, Waldenser und Katharer Was für Jan Hus und Giordano Bruno gilt, gilt umso mehr für die Waldenser. Im 13. Jahrhundert hatte die Kirche alles aufgeboten, um diese christliche Reformbewegung zu vernichten. Kreuzzüge zu ihrer Auslöschung wurden ausgerufen, Tausende Bewaffnete ins Feld geschickt, Zehntausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet. Dass es damals nur darum ging, die kirchlichen Pfründe und Machtansprüche mit allen Mitteln zu verteidigen, hat über Jahrhunderte niemanden in der Kirche gestört.“

„Unschuldige Männer Frauen und Kinder abgeschlachtet“

Katharer und Waldenser sind in den Zusammenhang keine hilfreichen Begrifflichkeiten. Der Name „Waldenser“ stammte ursprünglich von der Inquisition und leitet sich von den damals sehr entlegenen Waldensertälern in der Schweiz ab, wo eine größere Anzahl von „Glaubensflüchtlingen“ ihre Zuflucht fanden. Erst in späteren Jahrhunderten nahmen einige diesen Namen auch offiziell an.

Waldenser: „Diesen Namen bekommen sie von ihren Gegnern“

>>Protestantisches Museum<<

„Der Waldenserbewegung (diesen Namen bekommen sie von ihren Gegnern) gelingt es, sich trotz Verfolgungen durch das gesamte Mittelalter hindurch zu verbreiten. Im 13. Jahrhundert liegt ihr Mittelpunkt um das lombardische Mailand herum. Danach verbreitet sie sich nach Österreich und Süddeutschland hin mit anschließend intensiven Kontakten zu den Anhängern von Jan Hus. Auch in den Tälern des Piemonts entstehen große Gemeinschaften. Ihre „Barben“ genannten Prediger (Onkel, eine Bezeichnung, die sie von den katholischen „Vätern” abgrenzt), durchwandern die Wege Europas, um die kleinen Gruppen von Gläubigen im Untergrund periodisch zu besuchen.“

„Intensiven Kontakten zu den Anhängern von Jan Hus“

Ähnliches gilt für Katharer. Im ursprünglichen Sinne waren sie keine abgeschlossene Glaubensgemeinschaft, die Katharer sahen sich selbst einfach nur als Christen an. Im Gegensatz zu anderen christlichen Glaubensgemeinschaften war ihre Liturgie sehr breit gefächert und weitestgehend frei von formalen Strukturen. Was heute vielfach in den offiziellen Geschichtsbüchern steht, ist eigentlich nur das: Was ihre Feinde über sie geschrieben haben.

Untergrundkirche: Formelle Strukturen sind anfällig für Unterwanderungen

Formell gab es nie eine richtige Organisationsstruktur, jene wäre ohnehin viel zu Gefährlich gewesen. Bürokratische Institutionen und Strukturen sind immer anfällig für Unterwanderungen. Vielmehr hatten diese informellen Gruppen lokale Schwerpunkte, häufig in abgelegenen Regionen, die gewissermaßen als Basis dienten. Da der christliche Glaube recht weit verbreitet war, kamen Mitglieder dieser „Untergrundkirche“ zwangsläufig mit gewöhnlichen christlichen Gläubigen ins Gespräch. Natürlich viel man bei solchen Gesprächen nicht mit der Tür ins Haus, sondern sondierte erstmal vorsichtig, inwieweit Derjenige offen für andere Gedanken war. Über solche Gespräche gewannen sie neue Mitglieder und hatten somit einen gewissen Einfluss.

Hussitenkriege: Ein Kreuzzug gegen Christen

Neben den Anhängern von Jan Hus übten diese Christen auch auf Adelige einen nicht unbedeutenden Einfluss aus. Genau gegen diese Strukturen führte die offizielle Kirche in Verbindung mit staatlichen Stellen: Einen Kreuzzug gegen Christen, der über Tausend Jahre andauert. Die Hussitenkriege waren somit nur ein Glied, einer sehr langen Kette.