Armut im Alter: “Vermehrung der Geldmenge ausgelösten Effekt der Vermögensumverteilung nennt man auch Cantillon-Effekt”

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Rentenversicherung als negative Geldanlage? Stellt der Cantillon-Effekt und die Sozialversicherungen etwa eine Umverteilung von unten nach oben dar? Würden jemand hundert Jahre in eine Versicherung oder Geldanlage einzahlen, um am Ende ein Leben auf Hartz-4-Niveau zu fristen? Die Antworten auf diese Fragen hören sich wenig erfreulich an.

Hartz IV als Rente: “Fast hundert Jahre in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt”

>>Focus<<

“Werner K.* (86) und seine Frau Lore (84) hatten an ihr schwäbisches Lebenskonzept geglaubt. Wer zusammen fast hundert Jahre in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt hat, hat sich auch einen Lebensabend in Würde verdient, dachte der Werkzeugmacher zumindest. … Vor einem Jahr habe ich den Schritt getan und meine Frau schweren Herzens ins Pflegeheim gegeben. Doch das Loslassen war keineswegs nur emotionaler Natur, auch von etwas anderem musste ich mich verabschieden. Bis eben hatte ich es für selbstverständlich gehalten, das Geld für den Einkauf im Supermarkt vom Konto zu nehmen. Seit die Heimrechnung beglichen war, ging das nicht mehr, das Konto war leer. Aber der Kühlschrank war es eben auch.”

“Konto war leer” – “Kühlschrank war es eben auch” – “Fast hundert Jahre in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt”

Das Ehepaar hat zusammen ungefähr 100 Jahre in die Sozialversicherungen eingezahlt und muss nun am Ende feststellen: Ein Heimplatz reicht dafür am Ende mitnichten aus. Obwohl die Beiträge für die Sozialversicherungen recht stattlich ausfallen: Rund 40 Prozent kassieren die Sozialkassen jeden Monat ein. Streng genommen könnte man noch den Rundfunkbeitrag hinzuzählen, welcher selten und sehr unzureichend über die Probleme berichtet, obwohl er genau dafür zuständig wäre. Wie auch immer. Wirklich Transparent stellen sich die Sozialversicherungen auf Fälle keinesfalls dar. Die stets klammen Kassen und knappen Rentenzahlungen werden häufig als eine Art von Naturereignis dargestellt. Dabei sind durchaus kritische Abhandlungen darüber verfasst worden.

“Rentenklau-Tabelle” – “Verschiebebahnhof zu Lasten der Rentner”

>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<

“Die Probleme der Rentenfinanzierung werden auf Kosten der Arbeitnehmer und Rentner gelöst, die Probleme der Pensionsfinanzierung dagegen auf Kosten der Steuerzahler, die in der übergroßen Mehrheit eben auch Arbeitnehmer sind. Das Gegenargument, dass die gesetzliche Rente Jahr für Jahr durch hohe Subventionen aus dem Bundeshaushalt gestützt wird, und diese Zahlungen auch Beamte über ihre Steuern mitfinanzieren, ist schlicht falsch. Die Zahlungen aus Steuermitteln in die Rentenkasse sind geringer als die Mittel, die von der Rentenversicherung für »versicherungsfremde Leistungen« ausgegeben werden. Sehr verdient gemacht um diesen Nachweis hat sich Herr Dipl.-Ing. Otto W. Teufel, ein Bruder übrigens des »Revoluzzers« Fritz Teufel. Von ihm stammt die Rentenklau-Tabelle, auch Teufelstabelle genannt. Von 1957 bis 2002 wurden aus der Rentenkasse so per Saldo 300 Milliarden € ohne Zinsen zweckentfremdet zur Sanierung des Bundeshaushalts. Denn die »versicherungsfremden Leistungen«, die Auszahlungen der Rentenversicherung, denen keine Einzahlungen gegenüberstehen, wären aus Steuermitteln zu bezahlen. Mit Zins und Zinseszins kommen noch weitere 400 Milliarden € hinzu, so dass die Rentner um 700 Milliarden € betrogen worden sind. Und von diesem Verschiebebahnhof zu Lasten der Rentner profitierten und profitieren diejenigen, die nicht in die Rentenkasse einzahlen: eben Beamte.”

“Von 1957 bis 2002 wurden aus der Rentenkasse so per Saldo 300 Milliarden € ohne Zinsen zweckentfremdet zur Sanierung des Bundeshaushalts”

Über die vermeintlich sozialen Rentenbeiträge werden also anderweitige Aufgaben des Staates finanziert. Im Allgemeinen ist über die sogenannten “versicherungsfremden Leistungen” wenig handfeste Tatsachen herauszubekommen. Auch das Thema Verzinsung wird ebenfalls gern eisern geschwiegen. Es ist deshalb erstaunlich, weil das Finanzamt bei Steuerschulden gerne recht großzügige Zinsen ansetzt, nur diese positive Verzinsung scheint irgendwie bei der Rentenversicherung zu fehlen. Gerade in Zeiten hoher Inflation hat dieses Thema an Bedeutung gewonnen. Es setzt sich über die Kreditaufnahme fort.

“Warum Beamte es bei der Kreditaufnahme besonders einfach haben?”

>>Beamten-Infoportal<<

“Warum Beamte es bei der Kreditaufnahme besonders einfach haben? – Obwohl Beamte ebenfalls eine Variante der Arbeitnehmer sind, genießen sie besondere Vorteile. Das beginnt schon mit der Gehaltseinstufung, die nicht verhandelbar ist, sondern festen und direkten Regeln folgt. … Die Kreditaufnahme wird somit auch bei hohen Summen wesentlich einfacher. Gleichzeitig sinken die Anforderungen an den Kreditnehmer. Müssen andere Personen ihre finanziellen Verhältnisse ausführlich nachweisen oder mehrere Sicherheiten vorlegen, verzichten einige Banken bei Beamten auf Sicherheitsleistungen.”

Beamte: “Kreditaufnahme wird somit auch bei hohen Summen wesentlich einfacher” – “Gleichzeitig sinken die Anforderungen an den Kreditnehmer”

Staatsvertreter kommen nicht nur schneller und einfacher an Kredite heran, sondern sie können häufig – auch weil sie keine Sozialabgaben entrichten müssen – höhere Summen aufnehmen und weniger Zinsen (geringeres Risiko für die Banken) zahlen. Über diesen Effekt der sozialen Ungerechtigkeit wird indes fast nie geredet. Genau an dieser Stelle setzt der Cantillon-Effekt an.

“Vermehrung der Geldmenge ausgelösten Effekt der Vermögensumverteilung nennt man auch Cantillon-Effekt”

>>Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden von Andreas Marquart & Philipp Bagus (Buch) <<

“Den durch die Vermehrung der Geldmenge ausgelösten Effekt der Vermögensumverteilung nennt man auch Cantillon-Effekt, benannt nach dem irischen Bankier Richard Cantillon (1680–1734), der zu seiner Zeit die Wirkungen und Auswirkungen massiver Geldmengenausweitung quasi am lebenden Objekt beobachten konnte. Es war die Zeit, als auf Vorschlag des schottischen Finanziers John Law (1671–1729) die Geldmenge in Frankreich massiv ausgeweitet wurde, was zur Finanzblase um die französische Mississippi-Kompanie führte, die – wie alle Papiergeldblasen – am Ende natürlich platzte und zahllose Investoren in den Ruin stürzte.”

18. Jahrhundert: “Geldmenge in Frankreich massiv ausgeweitet wurde” – “Geldmengenausweitung quasi am lebenden Objekt beobachten konnte”

Jedoch war die französische Mississippi-Kompanie ein rein staatliches Unternehmen gewesen und die Anteilseigner im – übertragenen Sinn – war die damalige französische Bevölkerung. Letztlich blieb von der damaligen französischen Währung und ihren staatlichen Unternehmungen nur der Name “Cantillon-Effekt” übrig. Der Cantillon-Effekt beschreibt die Umverteilung von Vermögen und Kaufkraft im Prozess der Geldschöpfung. Dabei sind die Verlierer in diesem System meistens diejenigen, die am wenigsten Geld besitzen und somit von steigenden Preisen am stärksten betroffen sind. Inflation und Geldschöpfung führen dazu, dass das Vermögen von den Armen zu den Reichen umverteilt wird.

“Bevor die Ausweitung zu einem Preisanstieg führt” – “Begünstigten der Geldmengenausweitung die ersten Empfänger des neuen Geldes”

>>Der Bitcoin-Standard von Saifedean Ammous (Buch) <<

“Laut Cantillon sind die Begünstigten der Geldmengenausweitung die ersten Empfänger des neuen Geldes, die es ausgeben können, bevor die Ausweitung zu einem Preisanstieg führt. Wer es frühzeitig erhält, kann es dann mit einem leichten Anstieg des Preisniveaus ausgeben. Mit der zunehmenden Ausgabe des Geldes steigt das Preisniveau, bis die späteren Geldempfänger einen Rückgang ihrer realen Kaufkraft erleiden. Dies ist die beste Erklärung dafür, warum die Inflation den Ärmsten wehtut und den Reichsten in der modernen Wirtschaft hilft. Diejenigen, die am meisten davon profitieren, sind diejenigen mit dem besten Zugang zu staatlichen Krediten, und diejenigen, die am meisten darunter leiden, sind diejenigen mit festem Einkommen oder Mindestlöhnen.”

Cantillon-Effekt: “Erklärung dafür, warum die Inflation den Ärmsten wehtut und den Reichsten in der modernen Wirtschaft hilft”

Die Folge? Eine Verarmung der Bevölkerung. Doch wie funktioniert der Cantillon-Effekt genau? Vereinfacht: Wenn Zentralbanken Geld erschaffen oder Banken Kredite vergeben, entsteht neues Geld. Dieses fließt jedoch nicht gleichmäßig in die Wirtschaft, sondern in Form von Krediten zunächst an bestimmte Unternehmen oder reiche Investoren.

Cantillon-Effekt: “Weil also neu geschaffenes Geld die Marktteilnehmer nicht gleichzeitig erreicht”

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“Weil also neu geschaffenes Geld die Marktteilnehmer nicht gleichzeitig erreicht (manche erreicht es am Ende gar nicht), wird Einkommen und Vermögen innerhalb einer Gesellschaft massiv umverteilt, und zwar tendenziell von unten nach oben. … Das Ergebnis ist einschlägig. Laut dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2013 verfügen die unteren 50 Prozent der Haushalte nur etwa über ein Prozent des gesamten Nettovermögens, während die zehn Prozent reichsten Haushalte 53 Prozent des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen. Oder anders: Die zehn Prozent reichsten Haushalte besitzen mehr als die anderen 90 Prozent der Haushalte zusammen.”

“Zehn Prozent reichsten Haushalte besitzen mehr als die anderen 90 Prozent der Haushalte zusammen”

Die Sozialversicherungssystem mildern jenen Cantillon-Effekt nicht etwa ab, sondern verstärkern ihn sogar. Meist wird genau das Gegenteil behauptet. Auch die Ausweitung der Geldmenge wird mit allerlei Sozial-Romantik begründet. Die Ärmsten, auf deren Bedürfnisse das neu geschaffene Geld eigentlich abzielt, bleiben hingegen aufgrund ihrer begrenzten Kaufkraft zurück. Sie müssen höhere Preise zahlen, ohne selbst mehr Geld zur Verfügung zu haben. Die Auswirkungen des Cantillon-Effekts sind also gravierend: Es kommt zu einer Umverteilung von unten nach oben, was die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Diejenigen mit ohnehin schon viel Kapital profitieren von der Geldschöpfung, während sich die Verlierer im System weiter verschulden und verarmen. Aus rein finanzieller Perspektive ist das gesetzliche Rentenversicherungssystem oder Kastensystem in der Altersversorgung sozial ungerecht.

“Es gibt Rentner erster Klasse, die Pensionäre, und Rentner zweiter Klasse”

>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<

“Das Kastensystem in der Altersversorgung ist dagegen anscheinend vollkommen in Ordnung, es wird nicht kritisiert. Niemand aus der politischen Spitzenklasse wettert dagegen. Es gibt Rentner erster Klasse, die Pensionäre, und Rentner zweiter Klasse, die Sozialrentner. Eigentlich sind Letztere sogar schon Rentner dritter Klasse, denn dazwischen liegen noch diejenigen Selbständigen, die in der Lage waren, selbst vorzusorgen, und sich nicht am Umlageverfahren beteiligen mussten. (Allerdings unterliegen Selbständige häufig der Versuchung, sich gar nicht abzusichern. Diese Gruppe steht dann im Alter noch schlechter als die Sozialrentner da.)”

“Das Kastensystem in der Altersversorgung ist dagegen anscheinend vollkommen in Ordnung, es wird nicht kritisiert”

Der Cantillon-Effekt in Verbindung mit der gesetzlichen Rentenversicherung läuft dem Sozialstaatsprinzip entgegen. Eine Lösung für dieses Dilemma ist dringend notwendig – denn ansonsten droht eine weitere Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Abschließender Exkurs: Die Vollständigkeit des Verschiebebahnhofs zu Lasten der Rentner kann hier aus Gründen der Komplexität hier nur oberflächlich angerissen werden.