Flexverträge: „Richtung eines modernen Tagelöhnertums“

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Die Arten von unsicheren Arbeitsverhältnissen sind oft sehr unterschiedlich: Geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, Scheinselbstständigkeit durch Werkverträge oder sachgrundlose Befristungen. Zusätzlich gibt es noch Vereinbarungen über sogenannte „kapazitätsorientierte – variable Arbeitszeiten“. Das bedeutet Arbeit auf Abruf, mit sich ständig ändernden Vergütungen und Arbeitszeiten: Eine moderne Form des bekannten Tagelöhnertums.

“Die Behauptung, das Arbeitszeitgesetz sehe einen Acht-Stunden-Tag vor, ist schlichtweg falsch”

>>Dr. Andreas Hoff<<

„Die Behauptung, das Arbeitszeitgesetz sehe einen Acht-Stunden-Tag vor, ist schlichtweg falsch. Die Diskussion ist überflüssig. Die Grenze liegt nicht bei acht Stunden, sondern bei zehn Stunden, und zwar nicht wie häufig dargestellt in Ausnahmefällen, sondern ohne weitere Hürden. Auch die maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden gilt grundsätzlich nur im Durchschnitt von sechs Monaten, sodass pro Woche ohne rechtliche Probleme bis zu 60 Stunden gearbeitet werden kann. Und schließlich darf die Zehn-Stunden-Regelung unter bestimmten Bedingungen auch noch überschritten werden. Insgesamt sind die Regelungen zur täglichen Höchstarbeitszeit also angemessen und ausreichend flexibel.“

“Maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden gilt grundsätzlich nur im Durchschnitt von sechs Monaten”

Auch die wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden gilt im Durchschnitt von sechs Monaten, sodass in einer Woche bis zu 60 Stunden gearbeitet werden kann, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Unter bestimmten Bedingungen ist es sogar erlaubt, die Zehn-Stunden-Regelung zu überschreiten. Alles in allem sind die Vorschriften zur Höchstarbeitszeit pro Tag angemessen und bieten ausreichend Flexibilität.

“Geregelt ist diese Form der prekären Beschäftigung im Teilzeit- und Befristungsgesetz”

>>Neues Deutschland<<

„Geregelt ist diese Form der prekären Beschäftigung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Dort heißt es: »Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat ( (..) Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine (Mindest)Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.« Zwar wird der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitzuteilen. Doch davon kann auf tarifvertraglicher und betrieblicher Ebene abgewichen werden. Und natürlich können Beschäftigte »freiwillig« auf die Einhaltung der Mindestfristen verzichten. Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht in diesem Zusammenhang davon, »dass das in Richtung eines modernen Tagelöhnertums geht«. Für die Unternehmen bedeutet Arbeit auf Abruf beträchtliche Kostenvorteile, da sie »unproduktive« Anwesenheitszeiten mit wenig oder gar keinem Arbeitsanfall nicht mehr vergüten müssen und Personal einsparen können.“

“Richtung eines modernen Tagelöhnertums geht”

Falls keine festgelegte wöchentliche Arbeitszeit besteht, wird eine Mindestarbeitszeit von zehn Stunden vereinbart. Ist die tägliche Arbeitszeit nicht festgelegt, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden beschäftigen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitszeiten mindestens vier Tage im Voraus anzukündigen, es sei denn, es gibt Abweichungen auf tariflicher oder betrieblicher Ebene.

“Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat ein Heer von modernen Tagelöhnern hervorgebracht”

>>Stern<<

„Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat ein Heer von modernen Tagelöhnern hervorgebracht, die auf prekärer und unsicherer Basis beschäftigt sind. … 1,5 Millionen solcher moderner Tagelöhner arbeiten in Deutschland, hat eine Studie von Karl Brenke, Arbeitsmarktforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben, die das Recherchezentrum Correctiv zitiert. … Die tatsächliche Arbeitszeit schwankt zwischen 40 und 150 Stunden im Monat. In manchen Monaten verdient sie weniger als 500 Euro netto, in anderen mehr als das Doppelte. Auf dieser Basis eine Familie aufzubauen, erscheint ihr unmöglich. Ohne die Gehaltsnachweise ihres Freundes hätte sie wohl noch nicht einmal eine Wohnung in Hamburg gefunden, berichtet sie. Hochzeit und Familiengründung müssen warten, bis sie woanders eine richtige Vollzeitstelle gefunden hat.“

“Auf dieser Basis eine Familie aufzubauen, erscheint ihr unmöglich”

Die Modernisierung des Arbeitsmarktes hat eine große Anzahl von zeitgenössischen Tagelöhnern hervorgebracht, die in prekären und unsicheren Verhältnissen beschäftigt sind. Für viele ist es kaum vorstellbar, auf dieser Grundlage eine Familie zu gründen.

“Ohne die Gehaltsnachweise ihres Freundes hätte sie wohl noch nicht einmal eine Wohnung”

Oft reicht das Einkommen nicht einmal für eine angemessene Wohnung aus. Heirat und Familiengründung müssen verschoben werden, bis vielleicht anderswo eine feste Vollzeitstelle gefunden wird.