Hartz IV: “Für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten, sollten wir eine Jobpflicht einführen”

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Alle in Müßiggang lebenden Feldarbeiter, Männer wie Frauen, die mit der Absicht, Arbeit zu vermeiden in Städten wohnen, in Dörfern oder anderen Plantagen als jener zu der sie gehören … werden aufgefordert, sofort zu ihrer jeweiligen Plantage zurückzukehren, sofern sie nicht, binnen acht Tagen nach Verkündigung dieses Dekrets dem Kommandanten ihres Wohnorts ausreichend nachweisen, daß sie eine nützliche Beschäftigung mit Lebensunterhalt haben …” – Der Text stellt ein kurzer rechtlicher Ausflug in die Vergangenheit dar und nun zum anschaulichen Vergleich: Aussagen aus der Gegenwart.

“Zwangsarbeit für Arbeitslose?” – “Für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten, sollten wir eine Jobpflicht einführen”

>>Merkur<<

“Zwangsarbeit für Arbeitslose? – CDU-Vize fordert Jobpflicht: „Jeder hat eine Bringschuld“ … „Für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten, sollten wir eine Jobpflicht einführen.“ … sprach von einem Modell, bei dem Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen. … „Jeder, der Sozialleistungen in Deutschland erhält und arbeiten kann, hat auch eine Bringschuld. Ansonsten werden wir die Akzeptanz unseres Sozialsystems verlieren.“

“Ansonsten werden wir die Akzeptanz unseres Sozialsystems verlieren”

Es wird also auf die Akzeptanz des Sozialsystems verwiesen. – Allerdings geht die betreffende Person selbst keinesfalls mit guten Beispiel voran, indem sie und auch die übrigen Staatsvertreter weitesgehend keine Abgaben für das besagte Sozialsystem leisten. Die heraufbeschworene “Akzeptanz” scheint indes wenig glaubwürdig zu sein. Ein Blick in die Geschichte könnte hierbei etwas mehr zum Erkenntnisgewinn beitragen. Der oben genannte historische Auszug stellt in Wirklichkeit ein Gesetz dar und geht Anfang des 19. Jahrhunderts auf die französischen Kolonien zurück. Infolge der französischen Revolution wurde die Sklaverei nämlich abgeschafft und dies hat in Übersee bei der Plantagenwirtschaft zu erheblichen Problemen geführt.

“Alle Aufseher, Kutscher und Feldarbeiter, die nicht mit Fleiß den ihnen abverlangten Pflichten nachkommen, werden verhaftet und ebenso streng bestraft”

>>Weltgeschichte der Sklaverei von Egon Flaig (Buch) <<

“Freilich scheiterte sein Plan, auf der Basis von freier Arbeit die Plantagenwirtschaft weiter zu betreiben. Die ehemaligen Sklaven waren hierzu nicht bereit. So errichtete er ein System von Arbeitspflicht und Zwangsarbeit; sein Dekret vom November 1800 ist vielsagend: «Da seit der Revolution Arbeiter beider Geschlechter … unter dem Vorwand der Freiheit sich nun weigern solche (Arbeit) zu verrichten … befehle ich strengstens wie folgt: Art. 2. Alle Aufseher, Kutscher und Feldarbeiter, die nicht mit Fleiß den ihnen abverlangten Pflichten nachkommen, werden verhaftet und ebenso streng bestraft wie Soldaten, die ihre Pflicht vernachlässigen … Art. 3. Alle in Müßiggang lebenden Feldarbeiter, Männer wie Frauen, die mit der Absicht, Arbeit zu vermeiden in Städten wohnen, in Dörfern oder anderen Plantagen als jener zu der sie gehören … werden aufgefordert, sofort zu ihrer jeweiligen Plantage zurückzukehren, sofern sie nicht, binnen acht Tagen nach Verkündigung dieses Dekrets dem Kommandanten ihres Wohnorts ausreichend nachweisen, daß sie eine nützliche Beschäftigung mit Lebensunterhalt haben …»Arbeitspflicht und Militarisierung der Arbeit werfen ein Licht auf jene Aporien, in die fast alle sklavistischen Gemeinwesen gerieten, sobald die Sklaverei zusammenbrach. Die Diktatur des energischen Sklavengenerals wurde repressiver; seine Berufung auf die Ideale der französischen Revolution geriet immer mehr zu bloßer Phraseologie. Indes, der junge Staat aus befreiten Sklaven sah sich von allen Seiten bedroht – nicht zu Unrecht, wie sich 1802 erwies – und brauchte eine stattliche Armee; doch geübte Regimenter waren nur unter Waffen zu halten, wenn die öffentlichen Einnahmen ausreichten.”

“Arbeitspflicht und Militarisierung der Arbeit werfen ein Licht auf jene Aporien, in die fast alle sklavistischen Gemeinwesen gerieten, sobald die Sklaverei zusammenbrach”

Die Arbeitspflicht wurde also weniger aus humanen Überlegungen, sondern wohl überwiegend der zur Bezahlung der staatlichen Armee eingeführt. Sicherlich dürften auch sonst die Einnahmen des Staates eine Rolle gespielt haben. Etwas vergleichbares hat sich ebenfalls innerhalb des deutschen Kolonialwesens zugetragen.

“Hütten- und Kopfsteuer sollten die Einheimischen zur Aufnahme von Lohnarbeit bei deutschen Pflanzungsbetrieben nötigen”

>>Deutsche Kolonialgeschichte von Sebastian Conrad (Buch) <<

“Vor dem Hintergrund lokaler Subsistenzwirtschaft und der Sklaverei stand den Plantagenbesitzern kein einheimischer Arbeitsmarkt zur Verfügung. … Hütten- und Kopfsteuer sollten die Einheimischen zur Aufnahme von Lohnarbeit bei deutschen Pflanzungsbetrieben nötigen.”

“Vor dem Hintergrund lokaler Subsistenzwirtschaft und der Sklaverei stand den Plantagenbesitzern kein einheimischer Arbeitsmarkt zur Verfügung”

Insbesondere beim Aufbau der kolonialen Hüttensteuer und der Rundfunkabgabe drängen sich förmlich historische Vergleich auf: Da praktisch jede kleine Datsche auf diese Weise “Rundfunksteuerpflichtig” ist. Zumindest haben die damaligen Kolonialherren kein großes Geheimnis aus ihren Intentionen gemacht. Heutzutage muss vielfach als Begründung das Sozialsystem herhalten.

“Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und die Sozialsysteme zu sichern”

>>Der Tagesspiegel<<

“Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und die Sozialsysteme zu sichern, schlägt Sachsens Ministerpräsident … eine generelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde vor. „Würde jeder Erwerbstätige in Deutschland nur eine Stunde pro Woche länger arbeiten, würde sich ein großes Potenzial für die Bekämpfung des Fachkräftemangels ergeben“, sagte der CDU-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).”

“Kommt die 42-Stunden-Woche?”

>>Merkur<<

“Kommt die 42-Stunden-Woche? Geht es nach dem früheren SPD-Chef … , dann müssen die Menschen in Deutschland künftig mehr arbeiten. … Garniert werden sie mit Ökonomenstimmen, die auch über einen Renteneintritt ab 70 Jahren nachdenken.”

“Garniert werden sie mit Ökonomenstimmen, die auch über einen Renteneintritt ab 70 Jahren nachdenken”

Auch über ein höheres Renteneintrittsalter sollte also “nachgedacht” werden. Wenngleich das Thema unausgesprochene Thema “Arbeitspflicht” längst nicht am Ende angekommen ist.

“Kann sich Einführung von sozialem Pflichtjahr vorstellen”

>>Spiegel<<

” … kann sich Einführung von sozialem Pflichtjahr vorstellen – Sollen junge Erwachsene in Deutschland zu einem sozialen Dienst verpflichtet werden? … Das müsse nicht bei der Bundeswehr sein, junge Männer und Frauen könnten auch in sozialen Einrichtungen wie in Seniorenheimen, Obdachlosenunterkünften oder bei der Betreuung behinderter Menschen unterstützen.”

“Sollen junge Erwachsene in Deutschland zu einem sozialen Dienst verpflichtet werden?”

Zwar wird immer auf irgendwelche “sozialen Beweggründe” verwiesen, aber meist zahlen dieselben Personen selbst in kein Sozialsystem ein. Außerdem wird die andere Arbeit, wie Kinderbetreuung und Pflege der Eltern in diesem Zusammenhang meist nicht mal erwähnt.