Schnellschussentscheidung: 4.000 deutsche Soldaten sollen nach Litauen

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Von WerteUnion

Für Medienvertreter ein brandaktueller Hintergrundbericht eines Kenners mit profundem Wissensstand:

„Zu Anfang der Woche hat Verteidigungsminister Pistorius angekündigt, er wolle 4000 Soldaten samt Familien auf dem Boden Litauen stationieren. Dazu solle das Material einer kompletten Kampfbrigade inklusive Nachschub, Ersatzteilbevorratung und Instandsetzung etc. in das baltische Land verbracht werden. Dies folgt einer früheren Ankündigung Pistorius‘ gegenüber Litauen, sich stärker als bisher für den NATO-Partner engagieren zu wollen.

Glaubt man den Medien und vereinzelten Stimmen aus dem Ministerium, war dies eine klassische Schnellschussentscheidung eines Ministers und seines engsten Umfelds, wie dies schon in der Vergan­genheit bei anderen Ressortleitern der Fall war.

Man kann nur hoffen, es handelte sich um einen „Ballon“, den man im Vorfeld der parlamentarischen Sommerpause, insbesondere aber vor dem NATO-Gipfel am 11. und 12. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius aufsteigen ließ, um Engagement und Bereitschaft der deutschen Seite zu demon­strieren. Wirklich ernst gemeint dürfte ein solcher Vorschlag nicht sein, wenn man sich mit den Fakten auskennt. Und zumindest der Generalinspekteur der Bundeswehr kennt sie und dürfte seinem Dienst­herrn dringend davon abgeraten haben.

Über den Zustand der deutschen Streitkräfte ist in den zurückliegenden Monaten und Jahren ausgiebig berichtet worden. Selbst im hintersten Winkel der Republik ist die desolate Lage der Bundeswehr be­kannt. Und nun, angesichts von erheblichen Personalproblemen, materieller Knappheit von zur Verfü­gung stehender Ausrüstung, ganz zu schweigen vom leidigen Thema Munition, generiert man eine solche „Schnapsidee“.

Auch wenn Soldaten akzeptieren müssen, daß eine Versetzung eine zu duldende Anordnung ist, ist eine Versetzung ins Ausland eine völlig andere Sache. Dazu die Erwartung der Leitung des Hauses, man könne die Familien gleich mit verfrachten und dort in neu gebauten Unterkünften irgendwie unter­bringen, zeigt wie überstürzt und unausgegoren diese Idee ist.

Wer sich ein wenig mit der Sozialisation unserer Soldaten auskennt, weiß, daß eine solche Entschei­dung letztlich ein weiteres Heer an Wochenendpendlern produziert, die die Kosten auch in diesem Be­reich nochmals stark anschwellen ließe.

Dazu kommt, daß eine solche Brigade sicherlich nicht als ein bereits vorhandener, geschlossener Trup­penkörper entsendet wird, sondern wie bei den Einsatzkontingenten ein aus vielen Standorten zusam­mengeschusterter Verband wäre. Und diese Kräfte fehlen dann sowohl in den Standorten als auch als Teil besagter Einsatzkontingente, wenn Deutschland sich als weltweit einsatzwilliger Partner präsen­tieren will. Aufwendungen der in der Heimat vorzuhaltenden Infrastruktur und Personalkosten für den Auslandsaufenthalt nicht eingerechnet.

Gerade in einer Zeit, in der Krieg in Europa wieder möglich ist, ist es die vorrangigste Pflicht des Verteidi­gungsministers, die Befähigung zur Landesverteidigung zu verbessern. Das 100 Milliardenbudget aus dem vergangenen Jahr sollte diese Entwicklung einleiten. Doch weder fließen die Gelder angesichts eines unverändert dysfunktionalen Beschaffungswesens nur schleppend, wenn überhaupt ab. Noch kommt man mit den entscheidenden Schritten zur Aufstellung einer vollausgestatteten dritten Division mit den dazugehörigen Brigaden voran. Und da kommt dann ein solcher Vorschlag, der eher einer reinen Unterhaltungsdarbietung gleicht, als verantwortungsvoller Streitkräfteplanung.

Was man sich zudem als interessierter Beobachter oder schlicht als einfacher Bürger fragen muss, warum bedient sich Minister Pistorius nicht seines hochqualifizierten Apparates im Bundesverteidi­gungsministerium, um ein solches Projekt zu durchdenken. Stimmen aus dem Hause in der Stauffen­bergstraße in Berlin lassen den Eindruck zu, daß die „echten Bescheidwisser“ wieder einmal außen vor gelassen wurden. Auch wenn man kein Planungsinstrument wie einen Generalstab aufstellen will, so ist das Ministerium bei allem organisatorischen Klein-Klein doch in der Lage, ein solches Projekt zügig zu analysieren, Planungsskizzen zu fertigen und einen Entscheidungsvorschlag, einen sog. „Militäri­schen Ratschlag“, zu erteilen. Dann, mit dem Rückenwind eines solchen Entscheids vor die Presse treten, gelte als seriös und professionell. Sollte am Ende das alles nicht verwirklicht werden, hat sich Deutschland einen schlechten Dienst erwiesen. Litauen wäre brüskiert, die NATO-Partner unnötig unter Druck gesetzt und Deutschland mal wieder blamiert.

Bisher konnte sich Pistorius als besonnener Sachwalter einen guten Namen machen, auch wenn das nach einigen personellen Fehlgriffen auf seinem Posten in der jüngsten Vergangenheit nicht allzu schwerfiel. Und schon früher gebar die Luft im VIP-Bereich der Flugbereitschaft der Luftwaffe sach­fremde Ideen. Aber das hier war eine Aktion, die einen ratlos und kopfschüttelnd zurücklässt.“

Wo bleibt die Reaktion der Union mit ihren Militärexperten?