Warum die öffentliche Büchervernichtung wieder zur Staatsräson gehören soll?

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Im Jahr 1933 gingen Bücher öffentlichkeitswirksam in Flammen auf und kurze Zeit mussten bereits die dafür verantwortlichen Autoren um ihr Leben fürchten. Die öffentliche Vernichtung von Schriften – ob Bücher oder Papyrusrollen – haben schon immer schlimme Zeiten anklingen lassen: Das Nazi-Reich machte da keine Ausnahme. In der Regel geht es weniger um die Schriften selbst, sondern vielmehr darum: Die meisten kritische Stimmen verstummen zu lassen. Zu allen Überfluss findet auch heutzutage eine öffentliche Büchervernichtung statt.

„Um die Deutungshoheit über die Wahrheit“

>>Rettet unser Geld! von Hans-Olaf Henkel (Buch) <<

„Es ging nicht um die Wahrheit, sondern um die Deutungshoheit über die Wahrheit. Und wer über die Deutungshoheit verfügt, der spricht Denkverbote aus und verteilt Maulkörbe. Am besten noch »im Namen der Freiheit«. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn die politisch korrekte Klasse eine öffentliche Bücherverbrennung inszeniert hätte, wo im flackernden Flammenschein ein Transparent über den Köpfen geschwebt hätte, auf dem zu lesen gestanden hätte: »Diese Bücher waren überhaupt nicht hilfreich.«

„Und wer über die Deutungshoheit verfügt – Der spricht Denkverbote aus und verteilt Maulkörbe“

Was vielleicht noch im Jahre 2010 eine böse Vorahnung war: Das hat sich traurigerweise leider bestätigt. Zwar gehen noch keine Bücher – wie im Jahr 1933 – in Flammen auf, aber sie werden öffentlichkeitswirksam in einer Mülltonne entsorgt. Diese neuere Entwicklung hat aber nicht im Jahr 1933, sondern im Jahr 1960 seinen Anfang genommen. Damals strahlte das DDR-Fernsehen ein sensationelles neues Format aus, was in leicht veränderter Form noch heute über die Bildschirme flimmert.

„Karl-Eduard von Schnitzler präsentierte immer Montags von 1960 bis 1989 die Sendung „Der schwarze Kanal“ im DDR-Fernsehen“

>>Bundeszentrale für politische Bildung<<

„Karl-Eduard von Schnitzler präsentierte immer Montags von 1960 bis 1989 die Sendung „Der schwarze Kanal“ im DDR-Fernsehen. Hier polemisierte er vor allem gegen die Bundesrepublik Deutschland. … Bereits in der ersten Sendung – 1518 sollten noch folgen – gab Schnitzler den Ton vor, der stilbildend für das Format werden sollte und dem Sendungsmacher den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Sudel-Ede“ einbrachte … Sendeausschnitte aus dem Westfernsehen wurden gezeigt und anschließend von Schnitzler sarkastisch kommentiert.“

Karl-Eduard von Schnitzler: „Dem Sendungsmacher den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Sudel-Ede“ einbrachte“

Obwohl die letzte reguläre Folge von „Sudel-Ede“ im Jahre 1989 ausgestrahlt wurde: Trotz der langen Zeit lässt die Bundeszentrale für politische Bildung wenig Gutes über Karl-Eduard von Schnitzler verkünden. Zwar mögen sich über ihn die Geister scheiden: Allerdings konnte – bis heute – ihn kein einziger Fehler in seinen 1.518 Sendungen nachgewiesen werden und selbst nach bundesdeutschen Recht – nach der Wiedervereinigung – wurde er deswegen nicht angeklagt.

Was Karl-Eduard von Schnitzler der Welt hinterlassen hat

Zugleich gehörte Karl-Eduard von Schnitzler wohl eher der gemäßigten Fraktion in der DDR an: Denn mit Olaf Dietze standen augenscheinlich noch viel radikalere Figuren bereit. Wie auch immer die Nachwelt über Karl-Eduard von Schnitzler urteilen mag, er hat dennoch der Welt etwas hinterlassen: Das Genre, die Kommentare im Fernsehen. Denn als die erste Folge von Karl-Eduard von Schnitzler über die Bildschirme flimmerte, da war nichts Vergleichbares – weder in Ost noch West – vorhanden. Erst danach kamen die ersten Fernsehkommentare auch im Westen heraus und die von Karl-Eduard von Schnitzler in Gang gesetzte „Fernsehtradition“ läuft bis heute ununterbrochen weiter.

„Druckfrisch Neue Bücher mit Denis Scheck“

>>Staatsfunk „ARD“ <<

„Druckfrisch Neue Bücher mit Denis Scheck … Allein in Deutschland erscheinen jedes Jahr 90.000 neue Bücher. Ganz schön schwer, hier den Überblick zu behalten. „Druckfrisch“, das Büchermagazin im Ersten, hilft bei der Orientierung im Bücherdschungel.“

Gehört die öffentliche Büchervernichtung erneut wieder zur Staatsräson dazu?

Missliebige Bücher werden zwar noch nicht öffentlich verbrannt, sondern sie wandern beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk öffentlichkeitswirksam in die Mülltonne hinein. Die ganze Masche läuft ähnlich wie bei Karl-Eduard von Schnitzler ab: Einzelne Passagen werden aus dem Kontext gerissen, danach folgt ein zynische Kommentar und das Buch wandert danach zum Müll hin: Immerhin hat es Karl-Eduard von Schnitzler beim zynischen Kommentar belassen. Kritik an der neuen öffentlichen „Bücherverbrennung“ scheint bei den Verantwortlichen unerwünscht zu sein. Es drängt sich da eine Frage auf: Was will der staatliche Rundfunk damit ausdrücken, wenn öffentliche Büchervernichtungen erneut wieder zur Staatsräson gehören sollen?