Hundert Stunden an Mehrarbeit im Jahr & Brechung des Streikrechts – Wie wird das Leben morgen aussehen?

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Hundert Stunden im Jahr mehr arbeiten, plus die Brechung des Streikrechts und alles für das Wohl der Allgemeinheit? – Solche Vorschläge sind keine Hirngespenst, sondern werden ernsthaft diskutiert. Wie könnte am Ende die Umsetzung in der Praxis aussehen? – Auch dafür kann man auf historische Erfahrungenswerte zurückgreifen. Auf alle Fälle soll die Umsetzung vermutlich über den wirksamen Hebel des Notstands geschehen.

“Arbeitgeberpräsident bringt Brechung von Streikrecht ins Gespräch”

>>Spiegel<<

“Arbeitgeberpräsident bringt Brechung von Streikrecht ins Gespräch – Die Ausstände in einer Zeit, in der die Unternehmen dringend Materialien brauchen, hätten ihm sehr missfallen, … . Vielleicht brauche man einen »nationalen Notstand«, der auch Streikrecht breche.”

“Vielleicht brauche man einen »nationalen Notstand«, der auch Streikrecht breche”

Mit der Ausrufung des “nationalen Notstands” ließen sich allerhand Freiheitsrechte einfach auf unbestimmte Zeit aussetzen. Und eine passende Begründung für die Misere liegt ebenfalls schon vor.

“Deutsche sollen 100 Stunden mehr arbeiten – sonst gerät Wohlstand in Gefahr”

>>Focus<<

“Deutsche sollen 100 Stunden mehr arbeiten – sonst gerät Wohlstand in Gefahr – „ Wir sollten 100 Stunden mehr im Jahr arbeiten.“ Das empfiehlt der Chef des Deutschen Instituts der Wirtschaft (IW), … , jetzt in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche “.

“Wir sollten 100 Stunden mehr im Jahr arbeiten”

Der Wohlstand soll also in Gefahr sein? – Angesichts einer Staats– und Steuerquote von ungefähr der Hälfte, dürfte die Wohlstandsadresse also manchen Menschen bekannt vorkommen. Sicherlich keinesfalls grundlos rufen solche Forderungen gewisse Erinnerungen an die ehemalige DDR wach.

“Erhöhung der Arbeitsnormen um durchschnittlich zehn Prozent”

>>Jugendopposition<<

“Die Appelle an die „Freiwilligkeit der Arbeiterschaft“ zeigen nicht den erwünschten Erfolg, denn eine Mehrarbeit ist kaum noch möglich. Dennoch legt das Zentralkomitee der SED am 14. Mai 1953 fest, dass die Minister und Staatssekretäre „alle erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung des schlechten Zustandes in der Arbeitsnormung“ treffen. Ihr Ziel ist es, die Erhöhung der Arbeitsnormen um durchschnittlich zehn Prozent bis zum 1. Juni 1953 sicherzustellen.”

“Appelle an die „Freiwilligkeit der Arbeiterschaft“ zeigen nicht den erwünschten Erfolg”

Auch damals wurde zur Erhöhung der Arbeitsnormen aufgerufen. Praktischerweise war das DDR-Streikrecht schon vorher faktisch beseitigt worden. Nun musste nur noch ein “Vorzeigeaktivist” als Begründung her.

“Ein Herr Wenig hat mehr als alle anderen gearbeitet?”

>>Der kurze Sommer der DDR  von Gunnar Decker (Buch) <<

“Wenig war ein Vorzeigeaktivist, den die Propaganda nicht gern vorzeigte: bei dem Namen? Ein Herr Wenig hat mehr als alle anderen gearbeitet? Dieses Schicksal teilte er mit der Aktivistin Nummer eins im Lande, Frida Hockauf, auch ihr Name gab zweideutigen Assoziationen einen ungewollten Anstoß. So lief alles auf Adolf Hennecke zu, der als Aktivist mit seinen Sonderschichten und Planübererfüllung dann den Namen für die »Hennecke-Bewegung« gab.”

“Adolf Hennecke” – “Als Aktivist mit seinen Sonderschichten und Planübererfüllung”

Auf alle Fälle wurde bei dieser Initiative die Frauen keinesfalls vergessen. Ganz im Gegenteil: Auf ihre Arbeitskraft wurde ganz besonderen Wert gelegt und sie wurden in die “Aktivistenbewegung” mit eingebunden.

“Erwerbstätigkeit gehöre zum Leben der modernen Frau in der sozialistischen Gesellschaft”

>>Frauen in der DDR von Anna Kaminsky (Buch) <<

“Besonderer Wert wurde darauf gelegt, welche Erfüllung Frauen durch ihre Arbeit erfuhren, denn eine Erwerbstätigkeit gehöre zum Leben der modernen Frau in der sozialistischen Gesellschaft. Neben männlichen Aktivisten wie dem Bergmann Adolf Hennecke, der 1948 durch die Übererfüllung seiner Norm bei der Kohleförderung die sogenannte »Aktivistenbewegung« nach sowjetischem Vorbild begründet hatte, traten nun auch Frauen auf. Sie verkündeten stolz, wie sehr sie ihr tägliches Arbeitssoll gesteigert hatten. Frida Hockauf versuchte 1953, ihre Arbeitskolleginnen mit dem Spruch »So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben« zu motivieren.”

DDR – “Sie verkündeten stolz, wie sehr sie ihr tägliches Arbeitssoll gesteigert hatten”

“So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben” – Der alte DDR-Ausspruch hört sich in heutiger Zeit erstaunlich aktuell an. Tatsächlich werden – Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung – immer noch Personen mit der Frida-Hockauf-Medaille geehrt.

“Jörg Kachelmann mit Frida-Hockauf-Medaille geehrt”

>>Boulevardtheater Dresden<<

“Jörg Kachelmann mit Frida-Hockauf-Medaille geehrt – In Abwandlung des historischen Frida Hockauf-Zitats „So wie wir heute arbeiten werden wir morgen leben“ trage die für Jörg Kachelmann entworfene und angefertigte Ehrenmedaille die auf seine Verdienste gemünzten Worte „So wie wir heute auftreten werden wir morgen geachtet“.

“So wie wir heute auftreten werden wir morgen geachtet”

Zumindest scheint das Frida Hockauf-Zitat in der heutigen Zeit angekommen zu sein. Und auch Abwandlung sind offenbar im hier und jetzt wieder möglich. Am Ende bleibt noch die Frage übrig: Wie wird das Leben morgen aussehen?