Antike: “In staatlichen Gesetzen tauchen nun dreißig und mehr namentlich benannte Sekten, Teilkirchen und Abspaltungen auf”

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Die Christenverfolgung in der Antike war eine traurige und dunkle Periode für die Gläubigen. Unter verschiedenen römischen Kaisern wie Nero und Diokletian wurden Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt und grausam bestraft. Der berüchtigte Kaiser Nero beschuldigte die Christen fälschlicherweise, den Großbrand von Rom im Jahr 64 n.Chr. gelegt zu haben. Natürlich kommt hierbei die Frage auf: Wie konnte es überhaupt zur Christenverfolgung in der Antike kommen?

Christenverfolgung in der Antike: Eine düstere Zeit des Glaubens

>>Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer (Buch) <<

“Bis allerdings im römischen Imperium die Bücher brannten, dauerte es noch eine ganze Weile. Im 3. Jahrhundert wurde Religion plötzlich zu einer Angelegenheit, für die sich die Obrigkeit interessierte. Das Imperium steuerte politisch und militärisch in schwieriges Fahrwasser, Perser und Germanen bedrängten die Reichsgrenzen. Für viele Zeitgenossen war klar: Etwas stimmte nicht zwischen Sterblichen und Unsterblichen. Die Antwort der Kaiser Decius (249–251 n. Chr.) und Valerian (253–260 n. Chr.) bestand darin, ihre Untertanen zu zwingen, den Staatsgöttern zu opfern, um so das offenbar ramponierte Verhältnis ins Lot zu bringen. Weil die Christen sich weigerten zu opfern, wuchsen die Zweifel an ihrer Loyalität.”

“Imperium steuerte politisch und militärisch in schwieriges Fahrwasser, Perser und Germanen bedrängten die Reichsgrenzen”

Das Römische Reich war zwar noch weit vom Untergang entfernt, hatte aber gleichzeitig den Zenit seiner Macht überschritten. Dies führte zu einer brutalen Verfolgungswelle, bei der zahlreiche Anhänger Jesu ihr Leben verloren. Die Vorwürfe waren häufig unbegründet, doch dienten sie als willkommener Vorwand zur Unterdrückung der neuen Religion, was das Beispiel um Kaiser Nero zeigt.

“Sündenböcke zu präsentieren” – “Die von seiner eigenen Schuld und Verantwortung ablenken konnten”

>>Die Christen – Expedition zu einem unbekannten Volk von Uwe Bork (Buch) <<

„Historisch richtig dürfte allerdings sein, dass Nero sich nach einem bis in die Gegenwart gültigen Muster politisch gezwungen sah, Sündenböcke zu präsentieren, die von seiner eigenen Schuld und Verantwortung ablenken konnten. Er fand sie in den Christen, die, wie der römische Historiker Tacitus ohne nähere Erläuterung in seinen ›Annalen‹ schreibt, … In der ersten systematischen Christenverfolgung der Weltgeschichte ließ er sie zunächst von bestochenen Zeugen denunzieren und dann als Brandstifter nach Methoden hinrichten, die an sadistischer Fantasie nur schwer zu übertreffen waren: So wurden offensichtlich ausgehungerte wilde Hunde auf Christen losgelassen, die in Tierfelle eingenäht waren und sich als wehrlose Opfer zerfleischen lassen mussten. Andere wurden wie Jesus ans Kreuz geschlagen oder sie dienten, in leicht brennbare Lumpen gehüllt, als lebende Fackeln zur Illumination der kaiserlichen Gärten. Wie der bereits erwähnte Tacitus berichtet, waren diese Parks eigens zu dem Zweck geöffnet worden, damit sich die Bürger Roms im Beisein Neros in einer Art und Weise amüsieren konnten, für die es in heutigen Gesellschaften glücklicherweise keine Parallele mehr gibt.“

“In der ersten systematischen Christenverfolgung der Weltgeschichte”

Trotz dieser teils brutalen Verfolgung breitete sich das Christentum immer weiter im Römischen Reich aus. Selbst die zeitweisen starken Verfolgungswellen konnten es kaum mindern. Auch unter Kaiser Diokletian erreichte die Verfolgung der Christen einen Höhepunkt. Er verbot nicht nur öffentliche Gottesdienste, sondern ließ auch christliche Schriften verbrennen – ein Versuch, den Einfluss des Christentums einzudämmen.

„Das Christentum wuchs rasant“

>>Die Griechen und die Erfindung der Kultur von Edith Hall (Buch) <<

„Das Christentum wuchs rasant. Im Jahr 100 gab es noch nicht einmal 10 000 Christen, ein Jahrhundert später jedoch bereits elfmal so viele. Trotz der zeitweiligen Verfolgung, die unter Diokletian an der Schwelle zum 4. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte, wurden von Portugal bis Köln, von der Donau bis an den Nil und nahezu entlang der gesamten nordafrikanischen Küste christliche Gemeinden gegründet. Im Jahr 301 wurde der armenische König Tiridates der Große das erste nationale Oberhaupt, der das Christentum zur offiziellen Religion erklärte.“

Christentum als offizielle Religion: „Im Jahr 301 wurde der armenische König Tiridates der Große das erste nationale Oberhaupt“ 

Diese systematische Unterdrückung hatte weitreichende Konsequenzen für das Römische Reich. Der Niedergang wurde durch diese religiöse Intoleranz verstärkt und schwächte das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Imperiums. Trotz dieser dunklen Zeit hat sich das Christentum weiter ausgebreitet und entwickelt. Nichtsdestoweniger sind auch christliche Texte ins Visier der antiken Staatsmacht gekommen.

“Mit den Christen gerieten bald auch deren heilige Texte ins Visier der Staatsmacht”

>>Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer (Buch) <<

“Mit den Christen gerieten bald auch deren heilige Texte ins Visier der Staatsmacht. 303 n. Chr. erließen Diokletian und die drei anderen Kaiser, die in der Tetrarchie kollegial das Reich regierten, ein Gesetz, das Christen nicht nur die Ausübung ihres Kultes verbot, sondern auch anordnete, ihre Schriften zu verbrennen. Eusebios von Kaisareia, ein unter Konstantin dem Großen (306–337 n. Chr.) schreibender Kirchenhistoriker und Zeitzeuge, notiert: «Es war das 19. Regierungsjahr Diokletians […], als überall kaiserliche Schreiben verbreitet wurden, die befahlen, die Kirchen bis auf den Grund zu zerstören sowie unsere Schriften zu verbrennen, und die anordneten, dass die Leute in gehobener Stellung ihre Würden und die am kaiserlichen Hof tätigen Personen ihre Freiheit verlieren sollten, wenn sie am christlichen Bekenntnis festhielten.» Gegen das Edikt der Kaiser regte sich Widerstand.”

“Kirchen bis auf den Grund zu zerstören sowie unsere Schriften zu verbrennen”

Die Überwindung dieses Leidens hat den Glauben gestärkt und zeigt die Widerstandsfähigkeit der frühen christlichen Gemeinschaft. Da aber das Christentum sich trotzdem immer weiter ausbreitet, musste sich das Römische Reich eine neue Strategie einfallen lassen. Zu diesem Zweck wurde eine neue christliche Staatskirche geschaffen. Nun war es mit der Vielfalt des Christentums vorbei und die Verfolgung der Häretiker begann.

“Häresievorwurf wurde immer großzügiger operiert”

>>Das Ende der Antike von Hartwin Brandt (Buch) <<

“Mit dem Häresievorwurf wurde immer großzügiger operiert, und in staatlichen Gesetzen tauchen nun dreißig und mehr namentlich benannte Sekten, Teilkirchen und Abspaltungen auf. Alexandria, Antiochia und Konstantinopel waren die Hauptorte der nicht selten militanten Auseinandersetzungen. Besonders tat sich dabei der Patriarch von Alexandria, Kyrill, hervor, der den städtischen Mob gegen seine Gegner aufhetzte, die, fanatisiert und aufgeputscht, unter anderem die Lehrerin und Briefpartnerin des Synesius, die berühmte Philosophin Hypatia, lynchten. Kyrills dogmatischer und kirchenpolitischer Gegenspieler war der von Antiochia nach Konstantinopel berufene Patriarch Nestorius.”

Antike: “In staatlichen Gesetzen tauchen nun dreißig und mehr namentlich benannte Sekten, Teilkirchen und Abspaltungen auf”

Das damalige Konzept der Staatskirche wurde damals implementiert und bis in die Gegenwart – mit Abstufungen – beibehalten. Bestimmte christliche Gruppen werden von staatlicher Seite noch protegiert.

Gegenwart: “Trennung von Staat und Kirche – wer’s glaubt”

>>Spiegel<<

“Trennung von Staat und Kirche – wer’s glaubt – In Deutschland gibt es zwar keine Staatskirche – die Bundesrepublik und die christlichen Kirchen sind dennoch eng miteinander verknüpft. … Deutschland ist ein säkulares Land. “Es gibt keine Staatskirche”, so steht es in Artikel 140 des Grundgesetzes. Trotz des neutralen Staats sind sich Staat und Kirche nah – sie kooperieren auf vielen Gebieten miteinander.”

“Trotz des neutralen Staats sind sich Staat und Kirche nah – sie kooperieren auf vielen Gebieten miteinander”

Die heutige Verbindung zwischen Staat und Kirche rührt also unmittelbar aus der Antike her. Nicht weniger fordern daher die strikte Trennung von Kirche und Staat, um damit die Einflussnahme zu minimieren.