“Wegschauen und weitergehen” – Unterlassene Hilfeleistung versus Eigenschutz: “Passanten helfen vergewaltigter Frau nicht”

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Lausitzer Kriminalität: “Wegschauen und weitergehen: Viele Menschen reagieren in Notsituationen falsch und kneifen, wo Hilfe dringend nötig ist. Doch “unterlassene Hilfeleistung” ist kein Kavaliersdelikt.” – Das Thema “Unterlassene Hilfeleistung” wird im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk unter einer Art von Rubrik “Häufige Fragen” abgehandelt und Text endet mit der letzten Fragestellung: “Was droht, wenn man nicht hilft?” – Darin werden die rechtlichen Konsequenzen beschrieben. Doch es gibt die schöne Redewendung, “Wer A sagt muss auch B sagen” und dann das ganze Alphabet aufzählen. Zweifellos ist unterlassene Hilfeleistung ein riesiges Problem, aber über die Ursachen wird indes nur selten ein Wort verloren. Es hat auch viel damit zu tun: Wie staatliche Behörden über Ihre Bürger denken.

“Passanten helfen vergewaltigter Frau nicht”

>>Bild<<

“Passanten helfen vergewaltigter Frau nicht – Eine 43-jährige Hildesheimerin ist in der Nacht zu Samstag in der Hildesheimer Innenstadt von einem Mann vergewaltigt worden – obwohl ihre Rufe nicht überhörbar waren, schritten vorbeikommende Passanten nicht ein! … Erst als nach wenigen Minuten ein Streifenwagen in der Straße auftauchte, ließ der Vergewaltiger von seinem Opfer ab und sprintete davon. Ein Beamter verfolgte den Täter zu Fuß, wurde aber von diesem an der Jacobistraße abgehängt.”

“Obwohl ihre Rufe nicht überhörbar waren, schritten vorbeikommende Passanten nicht ein!”

So schlimm die Ereignisse auch sein mögen, nur drängt sich hierbei die Frage auf: Inwieweit sind die Passanten rechtlich überhaupt schuld? – Zwar ist unterlassene Hilfeleistung eine Straftat, aber der Gesetzestext macht ebenso Ausnahmen und darin steht: “… ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist … ” geschrieben. Wer kann in einer solchen Situation schon feststellen, ob der Täter wirklich unbewaffnet ist? Fest steht nur, Opfer und Passanten sind unbewaffnet und dieser Tatsache ist sich auch jeder Täter bewusst. Zugleich sich bis zum Eintreffen der Polizei ein erhebliches Zeitfenster ergibt. An der Stelle wäre die Frage angebracht: Wie konnte es soweit überhaupt kommen?

“In Waffenverbotszonen ist das Mitführen von Waffen untersagt”

>>Stadt Cottbus<<

“In Waffenverbotszonen ist das Mitführen von Waffen untersagt. Dazu können auch waffenähnliche Gegenstände zählen. Das Verbot gilt auch für Privatpersonen, die mit polizeilicher Genehmigung eine Waffe führen dürften. Die Einrichtung einer solchen Zone erlaubt Polizei und Behörden gezielte Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen.”

Waffenverbotszonen: “Dazu können auch waffenähnliche Gegenstände zählen”

Überall werden Waffenverbotszonen eingerichtet, was am Ende zu wehrlose Opfern und Passivität bei Passanten führt. An dieser Stelle passt gut die schöne Redewendung hinein, “Wer A sagt muss auch B sagen” und dann das ganze Alphabet aufzählen. Doch mit schlichten Waffenverboten ist es längst nicht getan.

“Verbot einer Kampfsportveranstaltung”

>>Verwaltungsgericht Dresden<<

“Verbot einer Kampfsportveranstaltung – Das Verwaltungsgericht Dresden hat eine Klage gegen das von der Stadt Ostritz verfügte Verbot der Kampfsportveranstaltung “Kampf der Nibelungen (KdN)” abgewiesen. … Diese sollte auf dem Gelände des Hotels Neißeblick in Ostritz stattfinden. Die Veranstaltung wurde im Internet als Kampfsportveranstaltung unter der Organisation und Beteiligung von jungen Deutschen beworben.”

“Verwaltungsgericht Dresden” – “Stadt Ostritz verfügte Verbot der Kampfsportveranstaltung”

Inwieweit diese Veranstaltung nun der Einzelne befürworten oder ablehnen mag, das kann an dieser Stelle mal offen gehalten. Doch durch das Urteil wurden unterm Punkt “Verbot von Kampfsportveranstaltungen” schon mal Fakten geschaffen. Die rechtliche Wehrlosigkeit aller Bürger damit weiter manifestiert, was letztlich die Situation “Unterlassene Hilfeleistung” noch weiter verschärfen wird. Vielleicht wäre hier ein kleiner Blick in die Geschichte hilfreich. Denn das Verbot von Kampfsport stellt mitnichten eine neue Erfindung dar.

“Capoeira, eine von Sklaven entwickelte Kampfsportart”

>>Kleine Geschichte Brasiliens von Stefan Rinke & Frederik Schulze (Buch) <<

“Die afrobrasilianische Kultur beeinflusste die verschiedenen brasilianischen Musikstile stark, so den Samba oder den Frevo, der um 1900 in Recife entstand. Aber auch die Capoeira, eine von Sklaven entwickelte Kampfsportart, trat ihren Siegeszug als mittlerweile globale Bewegung an. In Salvador, der Stadt mit der größten afrobrasilianischen Bevölkerung, überdauerten afrikanisch geprägte Religionsformen und kulturelle Praktiken.”

Warum Sklaven keinen Kampfsport praktizieren durften?

Auch Sklaven war Kampfsport verboten, weshalb der Kampftanz Capoeira entwickelt wurde, womit die Sklavenaufseher getäuscht werden konnten. Das Verhältnis von Sklaven und Sklavenaufseher ist hierbei nicht einmal so weit hergeholt. – Das heutig Gesetzeswerk nimmt vielfach Bezug auf Latein und und am römischen Recht. Auch die Römer haben Waffenverbote und die Vollstreckung von Straftaten gekannt.

“Kaiserzeit wurden Arten der Vollstreckung ersonnen, die nicht zuletzt der Volksbelustigung im Amphitheater dienten”

>>Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer (Buch) <<

“An Methoden, die Todesstrafe zu vollstrecken, herrschte kein Mangel. Sklaven wurden ans Kreuz geschlagen, Freie enthauptet. Prominenten, wie Seneca (S. 155 f.), bot man in der Regel die Gelegenheit, rechtzeitig Selbstmord zu begehen. In der Kaiserzeit wurden Arten der Vollstreckung ersonnen, die nicht zuletzt der Volksbelustigung im Amphitheater dienten. Wer ad gladium verurteilt war, musste mit einem Gladiator kämpfen, ohne dass Aussicht auf Rettung bestand. Die damnatio ad ludum gladiatorum machte den Verurteilten selbst zum Gladiator, der so immerhin die Chance hatte, zu überleben und sich die Freiheit zu erkämpfen.”

“Sklaven wurden ans Kreuz geschlagen”

Auch für Sklaven im antiken Rom hat ein striktes Waffenverbot bestanden, sofern sie nicht zur allgemeinen Volksbelustigung in der Arena tätig wurden. Wenngleich das Recht eine Waffe zu Tragen im Römischen Reich mit den Bürgerrechten gleichsetzt wurde.

“Rudis als Geste symbolisch für seine Freiheit” 

>>Dietzelmotel.com<<

“Gladiatoren waren versklavte Menschen, die für die anwesenden Römer einen rituellen Kampf zwischen Leben und Tod führten. Der Code des Gladiators bestand darin, den Gegner zu besiegen, ohne ernsthafte Verletzungen zu verursachen. … Als ein römischer Gladiator eine Schlacht gewann, erhielt er Palmenzweige für den Sieg und die Rudis als Geste symbolisch für seine Freiheit. Der römische Dichter Martial schrieb über einen Umstand, in dem zwei Gladiatoren namens Verus und Priscus zu einer Pattsituation kämpften und beide als Belohnung für ihre Tapferkeit und ihr Können Unhöflichkeiten und Handflächen erhielten. Der neu befreite Gladiator könnte eine neue Karriere beginnen, vielleicht als Trainer zukünftiger Kämpfer an einer Gladiatorenschule namens a Ludusoder vielleicht als Schiedsrichter bei Gladiatorenkämpfen.”

“Gladiatoren waren versklavte Menschen, die für die anwesenden Römer einen rituellen Kampf zwischen Leben und Tod führten”

Das “Rudis” war nur ein kleines Holzschwert und wurde in diesem Zusammenhang mehr als Symbol für die Freiheit verstanden. Der freigelassene Sklave war nun Römischer Bürger und hatte damit das Recht erworben, eine Waffen zu tragen. Zu dieser Zeit wurde faktisch ein Waffenverbot mit Sklaverei gleichsetzt. Da sich das heutige Recht stark am Latein und der römischen Rechtsordnung orientiert, sagt es eben viel über das über das Verständnis von Staatsvertretern zu ihren Bürgern aus.