“Wissensverlust durch Büchervernichtung” & “Unfehlbarkeitsdogma” – Was vom antiken Arius übrig blieb

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Und es kann nur eine Meinung geben. – Solche oder ähnliche Aussagen sind in der heutigen Zeit häufig zu hören. Der Diskurs wird immer weiter eingeschränkt und überall tauchen vermeintliche Faktenprüfer auf. Allgemein wird diese Form des Glaubenskriegs ausschließlich in der heutigen Zeit verortet. – Aber ist dem wirklich so? Das Beispiel des Arius sollte zu denken geben.

“Schickt Arius nach dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 in die Verbannung”

>>Erkenne die Welt von Richard David Precht (Buch) <<

“Die offizielle christliche Konstruktion, nach der Vater, Sohn und Heiliger Geist alle auf die gleiche Weise ewig und göttlich sein sollen, erscheint ihm absurd. Für ihn kann der Heilige Geist, verstanden als Logos, keine väterlichen Eigenschaften haben und einen Sohn hervorbringen. Jesus ist danach kein Teil einer göttlichen Trinität, sondern lediglich ein ganz besonderer Mensch. Auch diese Abweichung lässt der Kaiser nicht zu und schickt Arius nach dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 in die Verbannung.”

Arius – Vom angesehenen Kirchenmann zum verfolgten Ketzer?

Arius – Vom angesehenen Kirchenmann zum verfolgten Ketzer? In der Zeit nach der Konstantinischen Wende spielte Arius eine bedeutende Rolle in der christlichen Theologie. Als angesehener Kirchenmann hatte er großen Einfluss auf die dogmatische Epoche. Doch sein Weg führte ihn letztendlich zu einer schmerzhaften Verfolgung und Exkommunikation. Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 war ein Wendepunkt für Arius.

“Bischöfliche Reichsversammlung einzuberufen” – “Als das erste ökumenische Konzil (von Nicäa) in die Geschichte einging”

>>Das Ende der Antike von Hartwin Brandt (Buch) <<

“Konstantin sah sich schließlich dazu veranlaßt, eine bischöfliche Reichsversammlung einzuberufen, die als das erste ökumenische Konzil (von Nicäa) in die Geschichte einging und neben zahlreichen organisatorischen Regelungen auch zu einer eindeutig antiarianischen, im Kern bis heute gültigen Formulierung des christlichen Glaubensbekenntnisses führte (Juni 325).”

 Konzil von Nicäa: “Kern bis heute gültigen Formulierung des christlichen Glaubensbekenntnisses führte”

Dort wurde seine Lehre als häretisch eingestuft, was dazu führte, dass er und seine Anhänger exkommuniziert wurden – ein harter Schlag für den ehemals hochgeachteten Geistlichen. Die Folgen waren drastisch: Die Schriften des Arius wurden verbannt und jegliche Erwähnung seiner Ideen strengstens unterdrückt. Wie konnte es soweit kommen? Diese Entwicklung ist wohl weniger Arius oder theologischen Denkrichtungen, sondern sicherlich weit mehr machtpolitischen Erwägungen geschuldet. Das Römische Reich war zu dieser Zeit schon längst im Niedergang begriffen.

“Das 5. und 6. Jahrhundert waren im gesamten Mittelmeergebiet eine Periode tiefer politischer Umwälzungen”

>>Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer (Buch) <<

“Das 5. und 6. Jahrhundert waren im gesamten Mittelmeergebiet eine Periode tiefer politischer Umwälzungen, begleitet von Krieg, Anarchie und wirtschaftlichem Niedergang. Städte schrumpften und verschwanden, die Infrastruktur verfiel. Zeiten der Wirren sind schlechte Zeiten für Bibliotheken, und Ereignisse wie die Zerstörung des Serapeions beschleunigten noch den dramatischen Wissensverlust durch Büchervernichtung am Ende der Antike: Rund 90 Prozent der antiken Literatur gingen so unwiederbringlich verloren. Wir kennen rund 2000 griechische Autoren mit Namen. Nur von 253 davon haben sich – außer in Form wiederentdeckter Papyri – überhaupt Texte erhalten. Bei den lateinischen Autoren liegt das Verhältnis bei 772 zu 144.”

“Wissensverlust durch Büchervernichtung” – “Rund 90 Prozent der antiken Literatur gingen so unwiederbringlich verloren”

Der Versuch, seinen Namen aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen. Arius war lediglich ein Vertreter vieler christlicher Denkrichtungen dieser Zeit gewesen und vielleicht hundert Jahre zuvor hätte es wohl kaum eine Rolle gespielt. Doch das Christentum hatte viele neue Mitglieder gewonnen und ist zum Machtfaktor angewachsen. Nur ließen sich die christlichen Lehren kaum mit der Politik des Römischen Reiches in Einklang bringen. Also wurde das Christentum quasi neu erfunden und nur noch diese ein Denkrichtung zugelassen. Das Konzil von Nicäa sollte genau diese Funktion erfüllen.

“Unfehlbarkeitsdogma” – “Bischöfe fügten sich fast alle”

>>Problemfall Religion: Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik von Gerhard Czermak (Buch) <<

“Der Kaiser genehmigte die Konzilsbeschlüsse und verkündete sie als Kirchen- und Reichsgesetz. Die Bischöfe fügten sich fast alle (wie 1870 beim I. Vatikanischen Konzil mit seinem Unfehlbarkeitsdogma). Arius und die verbliebenen Anhänger wurden exkommuniziert und verfolgt, die Schriften des Arius verbrannt. … Der arianische Glaubensstreit ging noch lange weiter, es kam mehrmals zu Bischofsabsetzungen. Etliche Konzile nach 325 sind klar arianisch. Mitte des 4. Jh. dürften die trinitarische und die arianische Strömung ungefähr gleich stark gewesen sein.”

“Etliche Konzile nach 325 sind klar arianisch”

Dennoch ist es wichtig anzumerken, dass auch heute noch einige theologische Strömungen inspiriert sind von Arianismus – der Lehre des Arius -, wenngleich sie sich Abseits entwickelt haben. Diese Episode zeigt deutlich das Spannungsverhältnis zwischen Dogma und individueller Freiheit innerhalb religiöser Gemeinschaften sowie die Machtstrukturen hinter solcherlei Entscheidungen auf höchster Ebene. Es bleibt uns überlassen zu reflektieren wie weit diese Mechanismen bis ins Heute reichen oder ob wir lediglich Zeuge einer längst vergangenen Zeit sind, in der Andersdenkende verfolgt wurden.