Kriegswirtschaftslogik der Notwendigkeit: “Verpflichtenden Energiesparmaßnahmen auch in den privaten Wohnbereich eingreifen”

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Kriegswirtschaft – Die Begrifflichkeit mag vielleicht etwas ungewohnt klingen, aber das Manager Magazin hat dieser Thematik eine ganze Reihe von Beiträgen gewidmet. Und Energiesparen nimmt einem hohen Stellenwert ein. Mehr noch: Sogar “Energiespar-Verpflichtungen” sollen – inklusive Eingriff im privaten Wohnbereich – vertretbar sein. Dennoch kommt die Frage auf: Was soll überhaupt eine “Kriegswirtschaft” sein?

“Zu einem sinkenden Lebensstandard in den kriegsbeteiligten Gesellschaften”

>>Der Große Krieg von Herfried Münkler (Buch) <<

“Kriegswirtschaft und Wirtschaftskrieg – Die Umstellung einer Wirtschaft auf die Erfordernisse des Krieges geht mit einem forcierten Verbrauch von Ressourcen einher, vor allem aber mit deren Umverteilung von der Konsumgüter- auf die Rüstungsindustrie. Kriege führen daher grundsätzlich – und zwar unabhängig davon, ob sie im eigenen oder im Land des Gegners ausgetragen werden und mit einem Sieg oder einer Niederlage enden – zu einem sinkenden Lebensstandard in den kriegsbeteiligten Gesellschaften. Von 1914 an wurden zahlreiche Unternehmen auf die Erzeugung von Waffen und Munition umgestellt, und in den Betrieben, die weiterhin Konsumgüter herstellten, sank die Produktion: Es kam dort zu verstärktem Verschleiß, da ihnen keine neuen Maschinen und Ausrüstungsteile mehr zugeführt wurden und die Qualität der zu verarbeitenden Materialien stetig sank. Folglich traten immer häufiger Versorgungsengpässe auf, die immer seltener zu beheben waren.”

“Qualität der zu verarbeitenden Materialien stetig sank” -“Traten immer häufiger Versorgungsengpässe auf”

Die “Kriegswirtschaft” wirkt sich am Ende auf alle Lebensbereiche aus. Trotzdem stellt die Mangelversorgung nur die halbe Wahrheit dar. Die innere Logik der Kriegsmentalität muss nicht nur die Soldaten, sondern auch die Bürger ergreifen. Beim Zweiten Weltkrieg konnte man es sehr gut beobachten.

“Gehorsam bei Verdunkelung” – “Positive Einstellung zur Zivilverteidigung lag am allumfassenden Charakter des totalen Krieges”

>>Der Bombenkrieg von Richard Overy (Buch) <<

“Gehorsam bei Verdunkelung, Gasmaskenübungen, Fliegeralarm und Evakuierungen. … Diese positive Einstellung zur Zivilverteidigung lag am allumfassenden Charakter des totalen Krieges, der allen bestimmte Aufgaben abverlangte und das neue Idealbild des Bürgersoldaten prägte. Als die Regierung erwog, die Menschen in den Fabriken auch bei Fliegeralarm weiterarbeiten zu lassen, rechtfertigte man das mit dem Hinweis, dass all jene, die kriegswichtigen Arbeiten nachgingen, «Fronttruppen» seien. Herbert Morrison, der die meiste Zeit während des «Blitz» Innenminister war, bezeichnete 1945 die Luftschutzkräfte, für dessen Organisation er verantwortlich war, als eine «Bürgerarmee», bestehend aus Männern und Frauen.”

“Menschen in den Fabriken auch bei Fliegeralarm weiterarbeiten” – “Kriegswichtigen Arbeiten nachgingen, «Fronttruppen» seien”

Bürger muss sich also zum “Bürgersoldaten” verwandeln. Das war keine exklusive Besonderheit der NS-Zeit, auch im Dreißigjährigen Krieg war ein naheliegendes Muster zu beobachten.

Kriegswirtschaft im Dreißigjährige Krieg: “Argumentation mit «Notstand» und «Notwendigkeit» sorgte für einen kontinuierlichen Machtzuwachs”

>>Der Dreißigjährige Krieg von Georg Schmidt (Buch) <<

“Das für die wirtschaftspolitischen Aktivitäten notwendige Geld besorgten sich alle Staaten über Zwangsanleihen und Entschuldungsprogramme. Der Reichsabschied von 1654 bestimmte, dass 75 Prozent der Schuldzinsen gestrichen werden durften. Leidtragende waren die Gläubiger, besonders Stadtbürger und Stiftungen, von denen viele in den Ruin getrieben wurden. Die vertraute Argumentation mit «Notstand» und «Notwendigkeit» sorgte für einen kontinuierlichen Machtzuwachs der Landesherren und ihrer Regierungen. Die Staatsräson verlangte höhere Steuern, und die Landesherren perpetuierten in absolutistischer Manier die ihnen im Krieg zugefallenen «Notstandsrechte». Die dagegen opponierenden Stände wurden als Vertreter von Partikularinteressen angeprangert und zurückgedrängt. Was in Deutschland weder im noch nach dem Krieg stattfand, war eine großflächige wirtschaftliche Modernisierung. Während die schwedische Kriegswirtschaft vor allem im Montangewerbe einen Strukturwandel initiierte und sich das «goldene» Zeitalter der Niederlande auch aus den immensen Kriegsgewinnen erklärt, wurden in Deutschland die vom Krieg ausgehenden Wirtschaftsimpulse etwa für die Metallgewinnung und -verarbeitung durch neue Zerstörungen immer wieder in Frage gestellt.”

“Während die schwedische Kriegswirtschaft vor allem im Montangewerbe einen Strukturwandel initiierte”

Das Argumentationsmuster aus “Notstand” und “Notwendigkeit” ist wohl bekannt. Auch in der Gegenwart werden verpflichtenden Energiesparmaßnahmen mit genau dieser inneren Logik begründet.

“Bundestagsjuristen halten Energiespar-Verpflichtung für rechtmäßig”

>>Welt<<

“Bundestagsjuristen halten Energiespar-Verpflichtung für rechtmäßig – Die Bundesregierung darf mit verpflichtenden Energiesparmaßnahmen auch in den privaten Wohnbereich eingreifen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags halten das wegen der unsicheren Energieversorgungslage für vertretbar.”

“Bundesregierung darf mit verpflichtenden Energiesparmaßnahmen auch in den privaten Wohnbereich eingreifen”

Die unsichere Energieversorgungslage rührt aus politisch gewollten Kraftwerksabschaltungen und Sanktionspolitik von Energieträgern her. Eine Änderung der Politik ist unmöglich, weil dann das Argumentationsmuster aus “Notstand” und “Notwendigkeit” zusammenbrechen würde.