Sanktionen gegen die einheimische Wirtschaft

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Seit dem Jahr 2014 hält die Bundesrepublik Deutschland Sanktionen gegen Russland aufrecht. Dieses eher kurzfristig beschlossene Instrument entwickelt sich nach und nach zu einer Art Dauereinreichung – mit fatalen Folgen.

>>Wirtschaftswoche<<

„Die harten Sanktionen zwischen dem Westen und Russland bereiten auch deutschen Unternehmen zunehmend Sorgen. Zwar nimmt die neue Runde an Strafmaßnahmen russische Öl- und Rüstungsfirmen ins Visier, doch die Folgen der immer schärferen Sanktionsspirale wirken sich auch auf heimische Branchen wie den Bankensektor, die Maschinenbauer oder die Automobilbranche aus. Das Ausmaß der Besorgnis wurde am Freitag vor allem durch eine Stellungnahme europäischer Unternehmen in Russland deutlich. Die Regierungen sollten einen Weg zur Lösung des Ukraine-Konflikts finden, ohne der Wirtschaft zu schaden, forderte die Vereinigung Europäischer Unternehmen (AEB) in der russischen Hauptstadt Moskau. Der Verband sei aber weiterhin zuversichtlich, dass Russland trotz der Sanktionen ein strategischer Partner für Firmen aus Europa bleibe. In der AEB sind große europäische Firmen wie ABB, BMW, Siemens oder VW vertreten, die in Russland aktiv sind.“

Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland stehen in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Vorgängen in der Ukraine im Jahr 2014.

>>taz<<

„Dorothea Hahn: Bedeutet dies, dass Sie Putin nicht als Aggressor betrachten?

Jack Matlock – ehemaliger Botschafter der USA in Moskau: Ich entschuldige nicht, was er tut. Und ich billige es auch nicht. Aber ich sage, es war komplett vorhersehbar. Putin handelt so, wie jeder russische politische Verantwortliche unter diesen Umständen handeln würde. Der Umsturz in Kiew im vergangenen Februar hat Leute in den Sicherheitsapparat gebracht, die vehement antirussisch sind und die politisch so weit rechts stehen, dass man sie ohne Übertreibung Neonazis nennen kann. Die gewaltsame Übernahme von Regierungsgebäuden hat im Westen der Ukraine begonnen. Nicht im Osten.

Dorothea Hahn: Ist das, was wir in der Ostukraine sehen, eine Intervention?

Jack Matlock – ehemaliger Botschafter der USA in Moskau: Ich glaube nicht, aber das hängt von der Definition ab. Putin hat gesagt, er könnte Kiew in zwei Wochen einnehmen. Die Russen wollen diese Region nicht wirklich. Das sind wirtschaftliche Katastrophengebiete. Sie wären eine enorme Last.“

Angesichts des militärischen Kräfteverhältnis zwischen Russland und der Ukraine ist diese Einschätzung durchaus realistisch. Die wirtschaftlich klamme Ukraine könnte mit ihrer eignen Armee einer russischen Intervention nicht viel entgegen setzen. Bei einer Annektion der Ukraine würde eine ganze Kaskade von negativen internationalen Folgen losgetreten – die aus heutiger Sicht kaum absehbar sind. Unabhängig von irgendwelchen Schuldfragen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise von 2014 machen Sanktionen aus Gesichtspunkten der Neutralität wenig Sinn. Deutschland verhielt und verhält sich was Menschenrechte und völkerrechtswidrige Kriege angeht in vielen Fällen äußerst bedeckt. Das Land Israel hält völkerrechtswidrig seit 1967 die Golanhöhen besetzt – was dem Beziehungen zu diesem Staat bisher keinen nennenswerten Schaden verursacht hat. Der Zypernkonflikt entstand weil die türkische Armee dem Nordteil der Insel besetzte und infolge dessen dem Staat >>Türkische Republik Nordzypern<< gründete. Saudi Arabien dürfte vermutlich die schlimmste Diktatur überhaupt auf diesem Planeten sein – trotzdem unterhält die Bundesrepublik glänzende Beziehungen zu diesem Regime. Auch die völkerrechtswidrige Invasion des Iraks im Jahr 2003 durch die USA und ihrer Verbündeter hinterließ keinerlei Spuren auf den diplomatischen Paket. Die gerammte Grundlage für Sanktionen gegen Russland ist auf Sand oder genauer Treibsand gebaut – denn Schaden trägt nämlich keine Bundesregierung – sondern: Heimische Unternehmer inklusive ihrer dort beschäftigten Arbeitnehmer. Ein möglicher Ausweg ohne Gesichtsverlust für alle Beteiligten wäre: Stadtpartnerschaften, Schulpartnerschaften und Studentenaustauschprogramme mit Russland neu zu beleben oder zu gründen. Ausnahmegenehmigungen für sanktionierte Exportgüter könnten zahlreicher und unbürokratisch ausgestellt werden. In Unternehmerkreisen und in der Bevölkerung ist man politisch vielerorts bereits weiter – als es bei der hohen Politik in Berlin der Fall ist.