“Absolut grotesk, wenn er mit seinem Vermögen einen Kaufkraftverlust erleidet und gleichzeitig darauf einen »Gewinn« versteuern muss”

Screenshot twitter.com Screenshot twitter.com

Kalten Progression: Zinsprodukte, deren Zinsen unterhalb der Inflationsrate liegen: Müssen diese besteuert werden? Die kalte Progression ist ein Phänomen, das vielen Steuerzahlern bekannt sein dürfte. Durch die jährliche Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflation steigt auch bei gleichbleibendem Gehalt oder Vermögenszuwachs die tatsächlich zu zahlende Steuerlast immer weiter an.

“Inflation bedeutet Kaufkraftverlust – und den will jeder vermeiden”

>>Sind wir noch zu retten? von Professor Dr. Klaus Schweinsberg (Buch) <<

“Inflation bedeutet Kaufkraftverlust – und den will jeder vermeiden. So entwickelt eine Marktwirtschaft aus sich heraus Abwehrmechanismen. Unternehmer und Gewerkschaften berücksichtigen bereits bei der Lohn­ und Preiskalkulation einen lnflationszuschlag. … Geldentwertung lässt sich allerdings nicht genau antizipieren. Und je stär­ker die Preise steigen, desto schwieriger wird es. Denn nach aller Erfah­rung werden die Inflationsraten volatiler.”

“Aller Erfah­rung werden die Inflationsraten volatiler” – “Je stär­ker die Preise steigen, desto schwieriger wird es”

Was ist aber mit volatilen Vermögen gemeint? Das lässt am Britische Pfund relativ gut nachzeichnen.

“Britische Pfund” – “Die älteste Papiergeldwährung der Welt”

>>Die Welt vor dem Geldinfarkt von Markus Miller (Buch) <<

“Die älteste Papiergeldwährung der Welt: 99,5 Prozent Kaufkraftverlust – Das Britische Pfund, bereits im Jahr 1694 eingeführt, existiert beispielsweise auch heute noch. Dadurch verfügt Großbritannien über die älteste noch bestehende Währung der Welt. Bei Währungseinführung entsprach ein Pfund Sterling dem Gegenwert von 12 Unzen Silber.”

“Bei Währungseinführung entsprach ein Pfund Sterling dem Gegenwert von 12 Unzen Silber”

Dies führt dazu, dass sich das eigene Vermögen im Laufe der Zeit in seiner Kaufkraft verringert. Besonders brisant wird diese Problematik für all jene Anlegerinnen und Anleger, deren Geld in zinstragenden Produkten angelegt ist – vor allem dann, wenn der erzielte Zinssatz unterhalb der aktuellen Inflationsrate liegt. Von der kalten Progression sind aber auch normale Gehaltsempfänger betroffen.

“Kalten Progression” – “Die Steuer frisst von  der Lohnerhöhung also überproportional viel weg”

>>Abgezockt und kaltgestellt: Wie der deutsche Steuerzahler systematisch ausgeplündert wird von Peter Lüdemann (Buch) <<

“Das Dilemma der kalten Progression ist nun, dass die Einkommen sämtlicher Bundesbürger mit der Zeit allein deswegen steigen, weil auch die Preise  steigen. Wenn das Leben teurer wird, brauchen die Menschen höhere Gehälter,  um sich den gleichen Lebensstandard wie vorher leisten zu können. Damit  rutschen sie im progressiven Tarif aber immer höher. Die Steuer frisst von  der Lohnerhöhung also überproportional viel weg. Nun muss der Arbeitgeber  nicht mehr nur ein höheres Gehalt zahlen, um die Inflation auszugleichen. Er muss das Gehalt nochmal erhöhen, um die überproportional zugreifende  Steuer auszugleichen. Um das zu bezahlen, muss er jedoch die Preise für  seine Waren und Dienstleistungen erhöhen, was die Lohn-Preis-Spirale nur  befeuert. Hier widerspricht der progressive Tarif dem Gedanken, dass nur  derjenige höher belastet werden soll, der auch leistungsfähiger ist. Bei einem inflationsbedingten Anstieg des Einkommens ist meine  Leistungsfähigkeit unverändert. Es ist daher nicht gerecht, dass meine Steuerlast steigt.”

“Bei einem inflationsbedingten Anstieg des Einkommens ist meine  Leistungsfähigkeit unverändert”

Dieselbe Entwicklung findet auch beim bereits versteuerten Vermögen statt. Denn nicht nur verliert ihr Kapital aufgrund des Kaufkraftverlusts durch inflationäre Entwicklungen bereits an Wert; zusätzlich zieht das Finanzamt dennoch seine Gewinne ab. Genau hier setzt eine Diskussion über eine mögliche Besteuerung solcher Produkte wie etwa Tages- oder Festgeldkonten mit niedrigen Verzinsungen aber hohen Abgaben zur Kapitalertragsteuer ein. Gegner dieser Idee argumentieren dabei oft damit, dass dies einer doppelten Bestrafung von Sparern gleichkomme – einmal durch den realen Wertverlust ihres Ersparten sowie anschließend nochmals durch staatliches Zugreifen auf ihre ohnehin geringeren Renditen.

“Absolut grotesk, wenn er mit seinem Vermögen einen Kaufkraftverlust erleidet und gleichzeitig darauf einen »Gewinn« versteuern muss”

>>Einspruch!: Warum unser Geld Privatsphäre verdient von Andreas Lusser (Buch) <<

“Aus Sicht des Sparers ist es absolut grotesk, wenn er mit seinem Vermögen einen Kaufkraftverlust erleidet und gleichzeitig darauf einen »Gewinn« versteuern muss. In einigen Ländern, wie beispielsweise der Schweiz, ist der Kapitalgewinn zwar steuerfrei, die Anlagen in Zinsprodukte, deren Zinsen unter der Inflationsrate liegen, werden aber besteuert, ebenso wie Dividenden von Wertschriften und das Vermögen selbst. In Deutschland gibt es keine Vermögenssteuer, dafür werden realisierte Kapitalgewinne, Dividenden und Zinserträge besteuert – ebenfalls unterhalb der Inflationsgrenze.”

“Realisierte Kapitalgewinne, Dividenden und Zinserträge besteuert – ebenfalls unterhalb der Inflationsgrenze”

Es bleibt jedoch fraglich ob und wann es politischen Entscheidungsprozessen gelingt diesen Missständen entgegenzuwirken und so eine fairere Besteuerung von Zinsprodukten zu ermöglichen. Bis dahin sollten Anlegerinnen und Anleger stets ihre individuelle Situation analysieren sowie mögliche Alternativen in Betracht ziehen, um dem Phänomen der kalten Progression bestmöglich entgegenzuwirken.