Der Wiedereinzug feudaler Strukturen

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Längst überwundene mittelalterliche feudale Zustände, halten gegenwärtig erneut wieder Einzug. Es mag weit hergeholt klingen, aber breite Schichten der Bevölkerung können diese Sichtweise bisweilen problemlos bejahen.

>>Wikipedia<<

„Seit den späten 1830er Jahren ermöglichten Ablösungstilgungskassen den Bauern eine relativ günstige Ablösung, die aber immer noch auf Jahrzehnte höchst belastend blieb. Die Deutsche Inflation 1914 bis 1923 machte für die letzten noch Ablösung zahlenden Bauern die Tilgung ihrer Schulden zur Formsache, und durch die Revolution 1918/1919 hörten auch die letzten halbfeudalen Strukturen auf zu bestehen.“

Wer damals Feudalherr und Leiteigner war bestimmte das Schicksal der Geburt und keine Qualifikation oder irgendwelche erbrachte Leistungen.

>> Wir müssen leider draußen bleiben: Die neue Armut in der Konsumgesellschaft von Kathrin Hartmann (Buch) <<

„Michael Hartmann hat beobachtet, dass sich auch die politische Klasse, die sozial bislang eher offen gewesen ist, zunehmend genauso rekrutiert wie die Wirtschaftselite. Bis zur Jahrtausendwende bestand die Regierung zu zwei Dritteln aus Nachkommen von Kleinbürgern und Arbeitern, heute ist es genau andersherum: Zwei Drittel des Kabinetts entstammen gehobenen Schichten. Arbeitsministerin von der Leyen ist die Tochter des Industriellen Ernst Albrecht, der in den siebziger Jahren Geschäftsführer von Bahlsen war und später Ministerpräsident von Niedersachsen. Thomas de Maizière ist, nach Karl Theodor zu Guttenberg – dem Spross einer der reichsten Adelsfamilien des Landes – der zweite Verteidigungsminister mit Adelstitel in Merkels Kabinett. Er entstammt einer Hugenottenfamilie, sein Vater Ulrich war Generalinspektor der Bundeswehr, sein älterer Bruder Manager bei der Commerzbank. Rainer Brüderle ist Sohn eines Textilunternehmers, Familienministerin Kristina Schröders Vater ist Oberamtsanwalt, ihre Mutter Immobilienhändlerin, ihre Ehemann Ole Schröder Jurist und Staatssekretär im Innenministerium. Außenminister Guido Westerwelle ist Anwaltssohn, Schäubles Vater Steuerberater und Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. Fast ein Drittel des Kabinetts besteht aus Juristen. Das war schon unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung ähnlich. Zwar ist der Exkanzler selbst Sohn eines Hilfsarbeiters, und Exaußenminister Joschka Fischer der eines Metzgers. Doch der Vater von Otto Schily leitete ein Stahlwerk, die Väter von Hans Eichel und Peer Steinbrück waren Architekten, der von Wolfgang Clement Baumeister, Herta Däubler-Gmelin ist Diplomatentochter und Brigitte Zypries Tochter eines Unternehmers. Wenn sich die Elite nicht mehr nur in Wirtschaft, Justiz und Verwaltung bündelt, sondern auch noch in der Politik: Wie sehr repräsentiert sie dann noch das Volk? Wie nah sind solche Kabinettsmitglieder am Alltag und der Lebenswirklichkeit der Kleinbürger und Bedürftigen? Und hat sich nicht auch in der politischen Klasse längst ein  großbürgerliches Denken durchgesetzt, das Angehörige der selben Klasse bevorzugt, wenn es um die Verteilung von Reichtum und Privilegien geht?“

Auch wenn die entsprechenden Personalien der jeweiligen Regierungsmitglieder zwischenzeitlich ihre Aktualität eingebüßt haben: Die Grundaussage hat die Zeiten unbeschadet überdauert. Folglich halten neofeudale Strukturen Einzug.

>>taz<<

„Hamburg startet ab Dezember eine Beschäftigungsmaßnahme für 510 Langzeitarbeitslose, die nicht einmal jene 1,70 Euro pro Stunde in die Hand bekommen, die bei 1-Euro-Jobs üblich sind. Der Begriff „Null-Euro-Job“ sei aber „irreführend“, sagt Jobcenter-Sprecherin Heike Böttger. Es handle es sich um eine Qualifizierungsmaßnahme. Da seien „Motivationsprämien“ nicht üblich. Petra Lafferentz, Geschäftsführerin des Beschäftigungsträgers „Alraune“, sieht das anders. „Ich bleibe bei der Bezeichnung ’Null-Euro-Jobs‘, weil der Senat diese Maßnahmen als Teil des sozialen Arbeitsmarktes aufführt.“ Alraune werde sich nicht bewerben. Der Bürgerschaftsabgeordnete Tim Golke (Die Linke) spricht gar von „Zwangsarbeit“. Schließlich drohe jenem, der so eine Maßnahme nicht antritt, eine Sanktion.“

Nicht von Ungefähr schwingen dabei Erinnerungen an die allseits bekannten Hand- und Spanndienste aus Zeiten des Feudalismus mit. Beim sogenannten „Frondienst“ verrichteten einst Leibeigene unbezahlte Arbeit für ihren jeweiligen Dienstherren.

>>Bundesagentur für Arbeit<<

„Eine Bewerberin oder ein Bewerber verfügt (noch) nicht über die beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse, die für eine Stelle benötigt werden. In diesem Fall kann ein Eingliederungszuschuss gezahlt werden, wenn zu erwarten ist, dass die volle Arbeitsleistung erst nach einer längeren Einarbeitungszeit als üblich oder nur nach einem erhöhten Einarbeitungsaufwand erbracht werden kann. … Die Förderung kann bis zu 50 Prozent des vereinbarten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts betragen. Der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird zusätzlich pauschal mit 20 Prozent des Arbeitsentgelts berücksichtigt. Die Förderdauer kann bis zu zwölf Monate betragen.“

Natürlich haben findige Geschäftsleute diesen Umstand längst erkannt. Einige Firmen stellen bevorzugt Arbeitslose mit den entsprechenden Voraussetzungen ein, greifen – soweit möglich – den Eingliederungszuschuss voll ab und entlassen nach der Förderphase das Personal kurzfristig wieder – um erneut „förderfähige“ Erwerbslose anzuheuern. Bei rund sieben Millionen Leistungsbeziehern stellt dieses Geschäftsmodel kein allzu kompliziertes Unterfangen da. Die unfreiwillige Rochade – der von staatlichen Zuschüssen gesegneten Arbeitslosen – zwischen schlecht und garnicht bezahlter Arbeit, ist der Vergleich mit der historischen Leibeigenschaft: Sicherlich nicht allzu weit hergeholt.