Vergangenheit & Gegenwart: „Bereits 1946 kritisch zu den undemokratischen Strukturen der Domowina geäußert hat“

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Öffentliche Verleumdungskampagnen gegen die Sorbische Minderheit reichen über 100 Jahre in die Vergangenheit zurück. Schon Arnošt Muka musste sich damit herum plagen. In späterer Zeit wurde das zur regelrechten „ideologischen Dressur“ perfektioniert. Aber auch heute finden Kampagnen zur Verleugnung gegen Sorben statt. Echtes Engagement für die Sorben wurde schon im 19. Jahrhundert kritisiert und an dieser seltsamen „Tradition“ hat sich bis heute wenig geändert.

Arnošt Muka: „Harsche Kritik von Teilen der deutschen Presse“

>>Arnošt Muka<<

„Ab 1880 sammelte er, aufgrund mangelnder Unterstützung deutscher staatlicher Institutionen, in der Lausitz und im Ausland Spenden, was ihm harsche Kritik von Teilen der deutschen Presse einbrachte. M. beschaffte über 250.000 Goldmark auf eigene Initiative und konnte schließlich am 26.9.1904 die Eröffnung des Hauses der Sorben in Bautzen als offizieller Mitbegründer erleben. – Fast während seiner gesamten Lehrertätigkeit sah sich M. (Arnošt Muka, Anmerkung der Redaktion) mit der geringen Akzeptanz des Sorbischen und dem Unverständnis vieler Deutscher über sein Engagement für die Sorben konfrontiert, was ihn u.a. zum Ziel von Verleumdungskampagnen Zeitungen (1907-1910) werden ließ.“

Arnošt Muka: „Ziel von Verleumdungskampagnen Zeitungen (1907-1910) werden ließ“

Bei genauen Betrachten der Biographie von Arnošt Muka fällt auf: Sein eigentliches Engagement für die Sorben setzte erst mit hohen Alter – kurz vor seiner Pensionierung – ein. Allen Anschein nach konnte er also die negative Reaktionen bereits vorhersehen. Aber dazu waren keine hellsichtigen Fähigkeiten nötig: Zuvor waren bereits ganze Dorfgemeinschaften aus demselben Gründen nach Übersee ausgewandert. Aber die Verleumdungen waren weder auf Arnošt Muka, noch auf die Zeit des Kaiserreiches beschränkt gewesen, sondern gingen in späterer Zeit nahtlos weiter.

„Bereits 1946 kritisch zu den undemokratischen Strukturen der Domowina geäußert hat“

>>Timo Meškank<<

„Ich habe mich als Heranwachsender immer gefragt, warum mein Großvater aus der Garde der alten Patrioten nach 1945 als Lehrer aufs Abstellgleis gestellt wurde. Heute weiß ich, dass er sich bereits 1946 kritisch zu den undemokratischen Strukturen der Domowina geäußert hat. Der Dachverband der Sorben hatte den Auftrag, den Sozialismus in der Lausitz zu propagieren und aktiv die Kollektivierung durchzusetzen. Nach seinem Einspruch galt mein Großvater nicht mehr als staatskonform und wurde schnell isoliert. Diese Stigmatisierung im sozialen Umfeld macht Menschen kaputt.“

„Stigmatisierung im sozialen Umfeld macht Menschen kaputt“

Allerdings handelt es sich hierbei um keinen Einzelfall, sondern dahinter hat eine feste Struktur gesteckt. Alle „Abweichler“ wurden in aller Öffentlichkeit angeprangert und auf diese Weise isoliert. Am Ende stand eine Doktrin ohne Widerspruch da.

Abweichler: „Wurden öffentlich angeprangert und aus der sorbischen Öffentlichkeit ausgeschlossen“

>>Prager Zeitung<<

„Der sorbische Funktionär Jurij Krawža empfahl den Autoren eine „ideologische Dressur“. Als vorbildlich galt ein Gedichtband in sorbischer Sprache, der Lyrik zu Jahres- und Gedenktagen sowie anderen Höhepunkten des Lebens umfasste. Autoren, die von der kulturpolitischen Doktrin der SED abwichen, wurden öffentlich angeprangert und aus der sorbischen Öffentlichkeit ausgeschlossen.“

„Ideologische Dressur“ – Und das Stasi-Handbuch über Zersetzung lag immer griffbereit?

Die Vorzeigeminderheit der Sorben wurde so – nach außen hin – zum reinen Propagandakonstrukt entwickelt. Die Entwicklung ging sogar soweit: Das manche Menschen in anderen Teilen der DDR, die Sorbische Minderheit als reine Erfindung der SED gehalten haben. Doch es hat noch einem anderen Teil der Sorben – außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung als Vorzeigeminderheit – gegeben.

„Minderheit innerhalb des Volkes – in der Domowina und den staatlich geförderten Institutionen – waren nicht die realen Sorben“

>>Welt<<

„Frage: Die Sorben galten doch in der DDR als staatlich geförderte Vorzeigeminderheit. Sie schreiben aber, dass für die Sorben sogar eine eigene Linie innerhalb der Stasi angelegt wurde. Wieso gerieten sie denn so ins Visier des Mielke-Ministeriums?

Meškank: Weil die Vorzeigeminderheit nur ein Propagandakonstrukt war. Diese Minderheit innerhalb des Volkes – in der Domowina und den staatlich geförderten Institutionen – waren nicht die realen Sorben. Stattdessen lebten die meisten Sorben in ihrer christlich-ländlich geprägten Parallelgesellschaft. Im Sorbischen ist der Sozialismus wie auf dem Mars gelandet. Weil es nicht gelang, den Marxismus-Leninismus im Sorbischen zu verankern, zeigte sich das Regime verunsichert. Die Folge war die Überwachung von staatlicher Seite.“

„Lebten die meisten Sorben in ihrer christlich-ländlich geprägten Parallelgesellschaft“

Die Geschichten aus der ehemaligen DDR muten heutzutage manchmal recht Abstrakt und irgendwie Bedeutungslos an: Aber vieles davon hat bereits zur neuen Blüte angesetzt. Das merkwürdiges Folklore-Bild über die Sorben wird noch heute tatkräftig gepflegt, obwohl die Sorbische Kultur viel mehr zu bieten hat.

Domowina gegen Sorben: „Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt“

>>Leipziger Volkszeitung<<

„Galten die Sorben nicht offiziell als die Hätschelkinder der DDR?

Nur nach außen. Von den Sorben wurde in der DDR ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert, das auch heute wieder Konjunktur hat. Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt, wenn’s ums Bemalen von Ostereiern oder das Osterreiten geht. Immer wenn Ostern ist, werden wir als Folklorevolk präsentiert. Dass wir ein Kulturvolk sind mit einer Hochsprache seit der Reformation, das spielt kaum eine Rolle in der Öffentlichkeit.“

„Ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert – Das auch heute wieder Konjunktur hat“

Auch die Verleumdungskampagnen nehmen erneut wieder Fahrt auf. Sogar der Domowina-Vorsitzende ist sich nicht zu schade: Einfach mal plumpe Lügen in die Welt zu setzen.

Warum der Domowina-Vorsitzende die Unwahrheit sagt?

>>Domowina<<

„Domowina-Vorsitzende: „Wir haben der Gruppe vor einem halben Jahr angeboten, innerhalb der sorbischen Zivilgesellschaft unseres Dachverbandes über ihre Ideen offen zu diskutieren. Dieses Angebot besteht weiterhin – ungeachtet dessen, dass der ,Serbski sejm‘ bis heute weder über einen Beitritt zur Gemeinschaft der Sorbinnen und Sorben in der Domowina offiziell entschieden hat noch uns eine Antwort in dieser Sache hat zukommen lassen.“

Domowina: Verleugnungen auf Kosten des Steuerzahlers?

Aber genau das Gegenteil entspricht der Richtigkeit: Der Serbski Sejm will nicht der Domowina beitreten und das muss auch der Domowina-Vorsitzende bei der Herausgabe der Pressemitteilung gewusst haben. Zudem wird dort über das „das unkontrollierte Recht aufs Ausgeben von Steuergeldern“ des Sorbischen Parlamentes und anderen Unsinn schwadroniert: Solche Behauptung stellen natürlich reine Unwahrheiten dar. Aber mit solchen Verleumdungskampagnen dürfte die Domowina in der Vergangenheit reichlich Erfahrungen gesammelt haben.

„Noch einmal mitgeteilt und begründet, dass der Serbski Sejm der Domowina nicht beitritt“

>>Alterpräsidentin des Serbski Sejm<<

„Wir haben in dem Brief noch einmal mitgeteilt und begründet, dass der Serbski Sejm der Domowina nicht beitritt. Außerdem haben wir klar gemacht, dass weder die Beitrittsdiskussion noch Meinungsverschiedenheiten zum Selbstverständnis des Serbski Sejm als demokratisch gewählte Volksvertretung Grund dafür sein dürfen, die dringende offene und faktenbasierte Diskussion über die in einigen wichtigen Bereichen fatale Situation des sorbisch/wendischen Volkes, über die inneren und äußeren Ursachen dafür sowie über aussichtsreiche Lösungsoptionen durch mehr Selbstbestimmung und Selbstverwaltung weiter hinauszuschieben, … „

„Aussichtsreiche Lösungsoptionen durch mehr Selbstbestimmung und Selbstverwaltung“

Die Domowina selbst will sich zu den gemachten Vorwürfen nicht äußern. Im Gegensatz zum Serbski Sejm wird die Domowina großzügig mit staatlichen Zuschüssen bedacht, um angeblich die Sorbischen Interessen zu wahren.