Unterwanderung der Sorben – Domowina & DDR-Stasi: “Staatssicherheit setzte daher auf Kontrolle und Kollaboration”

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Die Zusammenarbeit zwischen der Domowina und der DDR-Stasi ist ein dunkles Kapitel in der sorbischen Geschichte. Die Domowina sollte eigentlich die sorbische Kultur und Sprache bewahren und fördern, aber stattdessen wurde sie von der DDR-Politik instrumentalisiert, um die Kollektivierung durchzusetzen.

“Vorzeigeminderheit als Propagandakonstrukt” – Weshalb die Domowina mit der DDR-Stasi zusammenarbeitete?

>>Welt<<

“Wie die Sorben ins Visier der Stasi gerieten … Tatsächlich aber erwies sich die Vorzeigeminderheit als Propagandakonstrukt. Die Staatssicherheit setzte daher auf Kontrolle und Kollaboration.  … Die etwa 60.000 bis 80.000 Sorben waren in der DDR eine von der Verfassung geschützte Minderheit, der Sonderrechte wie Unterricht in sorbischer Sprache sowie eigene Institutionen zugestanden wurden. Aber auch sie wurde von der Staatssicherheit kontrolliert, der zahlreiche Sorben als Mitarbeiter dienten.”

“Staatssicherheit setzte daher auf Kontrolle und Kollaboration”

Die Stasi hatte ein Interesse daran, die Domowina zu infiltrieren und zu überwachen, um unliebsame Aktivitäten im Keim zu ersticken. So wurden Sorbischlehrer und Domowina-Funktionäre als Inoffizielle Mitarbeiter eingesetzt.

“Man förderte die Anpassung der Sorben an die deutsche Kultur und Sprache, an der sich auch die Sorbische Lehrerbildungsanstalt beteiligte”

>>Prager Zeitung<<

“Man förderte die Anpassung der Sorben an die deutsche Kultur und Sprache, an der sich auch die Sorbische Lehrerbildungsanstalt beteiligte. Im Jahr 1958 schrieb der sorbische Pfarrer Jurij Kubaš in sein Tagebuch:

„In den Zeitungen, sorbischen wie deutschen, schreibt man, dass unser Institut die beiden Bezirke Dresden und Cottbus mit zweisprachigen Lehrern versorgt, dass es der zweisprachigen Lausitz dient. Ja, es dient auch als Glied in einem System, unsere sorbische Sprache endlich zu liquidieren.“

“Es dient auch als Glied in einem System, unsere sorbische Sprache endlich zu liquidieren”

Angeblich setzte sich die Domowina für die Interessen der Sorben ein, aber im eigentlichen Sinne ging es darum: Die Politik der DDR in der Lausitz durchzusetzen. Die Stasi-Tätigkeit der Domowina ist noch heute vielen Sorben allgegenwärtig. Durch die Überwachung und Zersetzung wurden viele Menschen verunsichert und traumatisiert. Die Vorzeigeminderheit der Sorben war nur ein Propagandakonstrukt für die DDR-Regierung, um sich als weltoffen und tolerant darzustellen. Im Hintergrund kamen Stasi-Agenten zum Einsatz und die wendeten die üblichen Geheimdienstmethoden an.

“Nicht mehr nur durch direkte Repression bekämpft, sondern zunehmend durch Unterwanderung und Zersetzung”

>>Spione überall: Wie Agenten, Spitzel und Verschwörer Geschichte schrieben von Bernd Ingmar Gutberlet (Buch) <<

“Politische Opposition wurde nicht mehr nur durch direkte Repression bekämpft, sondern zunehmend durch Unterwanderung und Zersetzung. Die dafür eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wurden intern als schärfste Waffe angesehen, ihre Zahl aber ist umstritten: Im MfS war für Anfang 1989 von 109281 IM die Rede, nach 1990 wurde in Untersuchungen die Zahl auf fast 190000 heraufgesetzt.”

“Unterwanderung und Zersetzung” – “Die dafür eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter (IM) wurden intern als schärfste Waffe angesehen”

Über die genaue Anzahl der inoffiziellen Mitarbeiter – kurz IM – unter der Domowina ist bis heute unbekannt. Eine Aufarbeitung hat niemals stattgefunden. Es dürften aber die allgemeinen Methoden der Zersetzung zum Einsatz gekommen sein.

“Methode der Zersetzung” – “Im Katalog der Maßnahmen findet sich auch die uralte Waffe des Rufmords aufgelistet”

>>Warte nicht auf bessre Zeiten! von Wolf Biermann (Buch) <<

“Im Katalog der Maßnahmen findet sich auch die uralte Waffe des Rufmords aufgelistet. Also Biermann ist ein Heuchler, Dilettant, ein konzeptionsloser Spinner, ein chronischer Lügner, ein schäbiger Verleumder, ein Feigling, kurz gesagt: ein typischer Thersites – Stinktier im Trojanischen Krieg der Klassen. Es fanden sich hübsche und sogar schöne Frauen, die im Auftrag der Stasi mit mir sich hinlegten und mich ausspionieren sollten. Die hatten es damals – leider keine Lüge – leicht mit mir. Auch Kriminalisierung durch den Gebrauch von Rauschgift war eine Methode der Zersetzung. Das sollten Bohème-IMs aus West-Berlin erledigen, die mich in meiner Ost-Berliner Bude mit einem Gastgeschenk beglücken sollten: harten Drogen. Auch dieser Kelch ging an mir vorüber – meine Angst vor dem Zeug war noch größer als meine Neugier. Alkoholexzesse – keine Chance, denn ich werde seit je eher trunken, wenn ich nüchtern bleibe. Noch perverser: mit Minderjährigen ins Bett locken. Ich frage mich, welche Minderjährigen die Stasi da wohl in Gebrauch nehmen wollte.”

“Methode der Zersetzung” – “Noch perverser: mit Minderjährigen ins Bett locken”

Im Gegensatz zum üblichen Werdegang der Stasi stellt sich die Lage in der Domowina etwas anders dar: Dort hat nie ein Elitenwechsel stattgefunden.

„Im Sorbischen hat es nach dem gesellschaftlichen Umbruch 1989/90 – anders als im Rest der DDR – keinen Elitenwechsel gegeben“ 

>>Timo Meškank<<

„Im Sorbischen hat es nach dem gesellschaftlichen Umbruch 1989/90 – anders als im Rest der DDR – keinen Elitenwechsel gegeben. In den meisten sorbischen Institutionen, wie zum Beispiel dem Sorbischen Institut, ist stattdessen eine personelle Kontinuität zu verzeichnen. Diese Personen haben alles getan, um sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen, getreu dem Motto: Wir haben zwar in der SED-Diktatur gelebt, aber waren kein Teil von ihr.“

„In den meisten sorbischen Institutionen, wie zum Beispiel dem Sorbischen Institut, ist stattdessen eine personelle Kontinuität zu verzeichnen“

Es bleibt festzuhalten, dass die Zusammenarbeit zwischen der Domowina und der DDR-Stasi eine traurige Realität war. Aber es ist wichtig, sich dieser Vergangenheit bewusst zu sein und daraus zu lernen, um solche Entwicklungen in Zukunft zu vermeiden. Die Lausitzer Sorben sollten sich jenen Teil der Geschichte immer bewusst bleiben und gleichzeitig sich für die Bewahrung und Förderung der sorbischen Kultur und Sprache einsetzen.