Lausitzer Geschichte – Das fast vergessene antike Marbodreich

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Die Lausitz in der Antike – Ungefähr 30 Jahre lang sollte das Marbodreich ein ernstzunehmender Gegenspieler des Römischen Reiches sein: Sein Reich muss sich mindestens über Böhmen und vielleicht sogar über die Lausitz erstreckt haben. Er einte die verschiedenen Stämme und führte bereits – in der Antike – eine Form von Staatswesen ein. Sogar die Demokratie war im Reich des Marbods nicht fremd. Trotz dieser Erfolge sollte sein Reich untergehen.

„Das Marbodreich war rund 30 Jahre lang ein relativ stabiles Gebilde mehrerer Stämme“

>>Radio Prag<<

„Römer in Mähren – ein kurzes Gastspiel – Doch mehrmals sind die Römer auch nach Norden vorgedrungen. Während der sogenannten Markomannen-Kriege schlugen sie sogar Lager auf mährischem Gebiet auf. …

„Das Marbodreich war rund 30 Jahre lang ein relativ stabiles Gebilde mehrerer Stämme. Die Römer mussten also wohl oder übel mit diesem Machtfaktor rechnen. Einige schriftliche Quellen sprechen davon, dass Rom versuchte, das Reich militärisch zu erobern oder zumindest in die Schranken zu weisen. Augustus´ Adoptivsohn Tiberius wurde jedenfalls im Jahr 6 nach Christus mit einem Feldzug gegen Marbod beauftragt.“

„Römer in Mähren – ein kurzes Gastspiel“

Die schriftliche Quellenlage zum Marbodreich fällt also äußerst überschaubar aus. Die wenigen erhaltenen Informationen haben Römische Autoren hinterlassen und müssen daher mit äußerster Vorsicht genossen werden: Denn als erklärte Gegenspieler von Marbod sind sie entsprechend Zeitgenössisch eingefärbt.

„Aus dem Dunkel der Vorgeschichte“

>>Deutscher Böhmerwaldbund<<

„Von slawischer Seite wird behauptet, daß vor den Germanen und Kelten schon slawische Ureinwohner im Lande gewesen seien. Es gibt auch deutsche Vorgeschichtsforscher, die ähnlichen Auffassungen zuneigen. … Aus dem Dunkel der Vorgeschichte treten die Markomannen in den Jahren um Christi Geburt in das Licht gut verbürgter geschichtlicher Überlieferung. An ihrer Spitze stand Marbot, … Zu seiner Zeit planten die Römer, Böhmen als Provinz einzurichten, scheiterten aber an Marbot, dessen Macht beträchtlich gewesen sein muß. Die Markomannen scheinen in der Mitte des Landes schon dicht gesiedelt zu haben, mit burgähnlichen Anlagen und reich kultivierten Gebieten.“

„Markomannen“ – „Mit burgähnlichen Anlagen und reich kultivierten Gebieten“

Sicher belegt ist, dass die Römer zu Zeit des Marbodreichs eine beträchtliche Streitmacht gegen ihn aufgefahren haben: Trotzdem konnten sie Böhmen nicht in ihre Gewalt bringen. Über die einzelnen Umstände: Darüber scheinen sich auch die heutigen Historiker uneinig zu sein. Dennoch muss Marbod zwangsläufig eine Form von Staatswesen in seinem Reich etabliert haben, ansonsten wäre es ihm kaum möglich gewesen: Einen übermächtigen Römischen Reich erfolgreich Parole zu bieten.

Aus Sicht der Römer: „Verrannten Hass gegen alles Königtum“

>>Als die römischen Adler sanken: Arminius, Marbod und die Legionen des Varus von Walter Böckmann (Buch) <<

„Die Figur des Marbod ist für uns gerade deshalb so wichtig, weil ein Königtum dieser Art bei den Germanen neu war. Und das aus gutem Grund. Ähnlich den Römern, die seit der Vertreibung der etruskischen Könige („fünfhundertzehn, die Könige müssen gehn“) einen geradezu „verrannten Hass gegen alles Königtum“ entwickelt hatten, wie Felix Dahn sagt, reagierten auch die Germanen auf jede Form der Alleinherrschaft (Monarchie) allergisch. Die frühgermanischen Stämme regelten ihre Angelegenheiten in Form einer Volksherrschaft. Demokratie hat es also offenbar bereits zu dieser Zeit gegeben.“

„Demokratie hat es also offenbar bereits zu dieser Zeit gegeben“

Hintergrund: Der Begriff „Germanen“ stellte für die Römer nur Sammelbezeichnung für die Völker da: Die jenseits des Limes – respektive des Römischen Reiches – lebten. Es handelt sich dabei weder um einen Staat, noch um einen Staatenverbund. Die einzelnen Volksgruppen standen sich nicht selten Feindlich gegenüber. Jedoch in dieser Zeit hat Marbod etwas geschafft, was Arminius verwehrt bleiben sollte. Zwar hat Arminius mit dem Sieg bei der Varusschlacht sein ganz persönliches militärisches „Denkmal“ gesetzt, aber er schaffte es nicht, die verschiedenen Germanischen Stämme – dauerhaft – zu einem Staat zusammen zu führen: Doch genau das sollte Marbod erreichen.

Biographien von Arminius und Marbod weisen zahlreiche Parallelen auf

Dabei weisen die Biographien von Arminius und Marbod durchaus zahlreiche Parallelen auf. Beide standen im jungen Jahren im Dienst der Römischen Streitmacht und wechselten im Laufe ihres Leben die Seiten. Beide wussten also wie ein Staatswesen von Innen her funktioniert und kannten sowohl die Stärken, als auch die Schwächen der Römischen Armee: Nur durch dieses interne Wissen konnte Arminius in der Varusschlacht einen Sieg davon tragen. Allerdings der „Königstitel“ sollte Arminius verwehrt bleiben.

Marbods Herrschaft sollte nicht von Dauer sein

Doch auch Marbods Herrschaft sollte nicht von Dauer sein.

Marbodreich: „Interventionen Roms und von internen Rivalen zu Fall gebracht“

>>Invasion der Barbaren von Peter Heather (Buch) <<

„Marbods Herrschaft ruhte auf einem solideren Fundament, aber auch er wurde schließlich durch die Interventionen Roms und von internen Rivalen zu Fall gebracht, so dass an der Wende zum 2. Jahrhundert die Markomannen nicht mehr von Marbods Erben regiert wurden.“

„Marbods Herrschaft ruhte auf einem solideren Fundament“

Ungefähr 30 Jahre lang sollte das Marbodreich ein relativ stabiles Staatsgebilde und ein echter Machtfaktor in der Region gewesen sein: Allerdings schaffte es Marbod nicht seine Herrschaft – und die seiner Nachfolger – dauerhaft zu sichern. Deshalb ist über das Reich des Marbods auch so wenig bekannt. Als relativ gesichert ist wohl anzunehmen, dass er mindestens über Böhmen und vielleicht sogar über die Lausitz geherrscht haben soll.