Zensur: Warum eine freizügige Berichterstattung einen journalistischen Freitod gleich käme

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Haben Sie schon ein Weihnachtsgeschenk gekauft?“ – Mit dieser etwas flapsigen Frage ist der Reporter Hans-Joachim Wolle für viele ehemalige DDR-Bürger in Erinnerung geblieben. Ein Beitrag des DDR-Fernsehens der Sendung „Außenseiter, Spitzenreiter“ wirkt aus heutiger Sicht nicht nur sehr aus der Zeit gefallen, sondern beinahe wie vom anderen Planeten. Ausgestrahlt wurde die Sendung zwar am 23. Dezember 1976, die Dreharbeiten mussten aber offensichtlich zuvor im Sommer an der Ostseeküste stattgefunden haben. Nur mit seinem „Markenzeichen“ einem Tonbandgerät bekleidet, stellt der Reporter am FKK-Strand – den verdutzten nackten Badebesuchern – die naive Frage: „Haben Sie schon ein Weihnachtsgeschenk gekauft?

„Haben Sie schon ein Weihnachtsgeschenk gekauft?“

Der ganze Beitrag kommt auch ganz ohne unterschwellige Propaganda aus und der Reporter ist sich sogar nicht zu Schade – nur für einen simplen Beitrag – selbst die Hüllen fallen zu lassen. Wäre der Fernehebeitrag nicht erhalten geblieben und hätten ihn nicht Millionen von Menschen gesehen: Wäre er wohl heutzutage als Falschnachricht abklassifiziert worden. Diese „Zeitkapsel“ belegt aber gleichzeitig: Von der vielzitierten Presse- und Meinungsfreiheit ist kaum noch etwas übrig geblieben: Sogar die selbstdefinierte Rolle eines Reporters hat sich komplett gewandelt.

Was von der vielzitierten Presse- und Meinungsfreiheit übrig bleibt?

In der heutigen Zeit finden sich selbst einfache Reporter des Öffentlichen Rundfunks in der Rolle eines „gottgleichem Wesens“ mit eingebauten Erziehungsauftrag für ihre untertänigen Bürger wieder. Völlig unverblümt wird auch ein selbst-ausgestalteter Personenkult gepflegt. Statt nüchtern über Fakten zu berichten, kommt kaum ein Beitrag ohne den obligatorischen „erhobenen Zeigefinger“ aus: Die „Vorzeigereporterin“ Anja Reschke macht aus ihren Gedanken auch gar kein Hehl, sie hat praktisch ein ganzes Buch der Thematik gewidmet, mit den dazu recht passendem Namen: „Haltung zeigen!“ – Dabei nutzt sie nicht nur ihre – durch Gebührengeldern geschaffene Prominenz – um sich Privat zu bereichern, sondern auch noch um ihre ganz private Meinung kundzutun. Vereinfacht: Neutrale Berichterstattung und Meinungsvielfalt war (Vor-)Gestern, heutzutage zählt nur noch: „Haltung zeigen!“ – Das steht zwar so nicht im Rundfunkstaatsvertrag geschrieben, aber Papier ist geduldig und welcher Richter würde es wagen Kritik am Öffentlichen-Rundfunk zu üben? – Und falls doch, könnte er alsbald seinem Hut nehmen.

Statt neutrale Berichterstattung gilt der Grundsatz: „Haltung zeigen!“

Dabei zeigt der Beitrag des Reporters Hans-Joachim Wolle recht anschaulich: Trotz offener Zensur, gab es sogar zu DDR-Zeiten sehr viele Freiheiten. Denn anders als manchmal suggeriert, war die DDR-Freikörperkultur nicht „von oben“ verordnet, sondern hat sich eher langsam aus der Bevölkerung selbst heraus entwickelt.

Freikörperkultur: „Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine lange Tradition“

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„Die Freikörperkultur besonders auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine lange Tradition. Die Nudisten im Osten mussten sich anfangs als Betriebssportgruppe tarnen, um dem Zorn der Genossen zu entgehen. Gegen Ende der Deutschen Demokratischen Republik hatten sich die Nacktbader weitgehend durchgesetzt.“

DDR-Zeiten: Wie „Nacktbader“ sich durchsetzten

Natürlich war der Staatssicherheit die DDR-Freikörperkultur nicht entgangen, aber aus dem Berichten geht unterschwellig hervor, dass auch die Stasi nicht so recht wusste: Wie sie damit eigentlich umgehen soll? Zugleich zeigt es auch dem Mut des Reporters Hans-Joachim Wolle: Als sein „FKK-Beitrag“ im DDR-Fernsehen gesendet wurde. Ein Mut, der im heutigem „Haltungs-Rundfunk“ kaum vorstellbar wäre. In der heutigen aufgeladenen Zeit ist an Nackte am – Öffentlichen-Strand – ohnehin nicht zu denken, die Geister scheiden sich bereits an einen „zu kurzemRock.

Streitfall: Die Länge eines Frauenrocks

>>Pressportal<<

„Der freizügige Kleidungsstil einer 50-Jährigen stieß auf Unverständnis bei einem 20-Jährigen. Dieser fand den Rock der Duisburgerin zu kurz und soll sie laut Zeugenaussagen gefragt haben, warum sie ihre Beine derart präsentieren müsse. … Das gegenseitige Unverständnis über die kulturellen Unterschiede der Beteiligten führte zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung und endete in einer Schlägerei.“

Wie ein kurzer Rock zu einer Schlägerei führt

Kurzum: Wenn „Frau“ keine verbale Auseinandersetzung oder gar Schlägerei riskieren will, sollte sie freizügige Kleidung – was auch immer darunter zu versehen sei – besser meiden. Aber damit lange nicht genug: Der neue undefinierte Sitten- und Moralkompass ist Vielschichtig aufgebaut: Während der Öffentliche-Rundfunk seine offenkundige Nähe zum Staat voll ausspielen kann und munter Nackte auf seiner Webseite – ohne Konsequenzen – präsentieren kann, muss die Lausitzer Allgemeine Zeitung sich an schwammige – kaum zu verstehende – Verhaltensregeln der großen Plattformen unterwerfen.

Zensur und die Verhaltensregeln der großen Plattformen

Selbst Jahrhunderte alte Gemälde fallen heutzutage der Zensur zum Opfer – mit der Begründung: Zuviel nackte Haut. Die Zensur-Entscheidungen treffen zumeist keine echten Menschen mehr, sondern ein Algorithmus zensiert einfach munter drauf los. Das kurze Video des Reporter  Hans-Joachim Wolle vom 23. Dezember 1976 hier einzubetten oder sogar freizügige Gemälde aus dem 16. Jahrhundert zu zeigen: Käme einen journalistischen Freitod gleich. Alle auf der Webseite hier gezeigten „freizügigen“ Titelbilder sind stark überarbeitet und entfremdet. Die verantwortlichen Künstler wollten – mit ihrer Kunst – sicherlich etwas anderes Ausdrücken bringen, aber ein mathematischer Algorithmus versteht nicht sonderlich viel vom Kunst oder vom Grundrecht auf Kunstfreiheit, oder gar der Freiheit der Berichterstattung. Wer also – urheberfreie – echte historische Kunst genießen will, muss halt andere Internetseiten oder reale Museen besuchen.